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Helene Kottaner

 

 

Helene war die Tochter des Ödenburger Bürgers Peter Wolfram. In erster Ehe war sie mit Peter Gelusch verheiratet. Mit ihm hatte sie einen Sohn namens Wilhelm. Gelusch war deutlich älter. Er ist schon 1402 als Ratsherr bezeugt, ab 1408 war er viele Jahre hindurch Bürgermeister. Er starb 1430. In zweiter Ehe war Helene mit dem deutlich jüngeren Wiener Bürger Johann Kottaner verheiratet. Dieser war Kammerherr des Wiener Dompropstes. Dieser und der Wiener Stadtrat setzten sich beim Ödenburger Stadtrat für die Eheschließung ein. Das Ehepaar Kottaner bekam mehrere Kinder. Die Familie war anscheinend wohlhabend.

Seit 1438 ist Helene am Hof des späteren Königs Albrecht II. und seiner Frau Elisabeth von Luxemburg bezeugt. In diesem Jahr wurde Elisabeths Tochter, Elisabeth, geboren. Helene wurde anscheinend als Erzieherin der Königstochter angestellt. 1439 erfolgte dann mit dem Königspaar die Reise nach Ungarn. Die Kottanerin nahm ihren Mann und ihre Kinder mit. Im Frühjahr 1439 kam Albrecht nach seiner Wahl zum Römisch-deutschen König nach Preßburg, wohin auch Königin Elisabeth von Ofen her eintraf. Auch die Tochter Elisabeth in Begleitung der Hofdame Helene Kottaner wurde nach Preßburg geholt. Die Familie begab sich nach Ofen, das unter König Sigismund zur Residenz ausgebaut worden war. Die Krone Ungarns ließ Albrecht von Gran auf die Plintenburg (Visegrád) bringen. Dort wurde sie in Anwesenheit der Kottanerin in einem Gewölbe verwahrt und der Obhut des Grafen Nikolaus von St. Georgen – Bösing übergeben. Albrecht zog weiter nach Südungarn. In den Sümpfen um Szegedin erkrankte er an der Ruhr, wurde zurückgebracht und starb am 27. Oktober 1439 noch vor der Geburt seines Sohnes.

In der Folgezeit wurde Ungarn in der Frage der Thronfolge gespalten. Es ging um die altbekannte Frage, ob das Geburtsprinzip (Erbkönigtum) oder das Wahlprinzip der Großen sich durchsetzen würde. Die luxemburg – habsburgische Partei um die Königinwitwe Elisabeth setzte auf das noch ungeborene Kind, die polnische Partei auf Wladislaw III., die im Polenkönig einen Garanten für die Fortführung des Türkenkampfes sahen. Die Magnaten drängten Elisabeth, den Polenkönig zu heiraten. Diese hielt sie hin und versuchte, die Krone für ihren Sohn zu erhalten. Die polnische Partei der Magnaten wählte später, trotz der Geburt des Thronfolgers und dessen Krönung in Stuhlwißenburg Wladislaw III. zum König von Ungarn. Die Krönung fand mit allen Insignien statt, mit Ausnahme der „Heiligen Krone“, die von Elisabeth mit Hilfe der Kottanerin in Sicherheit gebracht worden war.

Helene Kottaner hielt sich von Anfang Juli 1439 bis Feber 1440 mit der Kronprinzessin Elisabeth auf der Plintenburg auf. Diese war als uneinnehmbare Höhenburg von König Karl von Anjou in den 1320er Jahren erbaut worden. Die „Obere Burg“ war der ideale Aufbewahrungsort für den Kronschatz. Am Ufer der Donau entstand ein Palast, den die Königinwitwe bezog. Kurz vor der Geburt des Ladislaus zog die Königin dann aber nach Komorn weiter. Dort wurde Ladislaus Postumus geboren und von der Kottanerin betreut. Die Weiterreise nach Preßburg war zunächst nicht möglich, da die Königin bereits in den Wehen lag. Der Neugeborene wurde noch in Komorn vom Erzbischof von Gran auf den Namen Ladislaus getauft. In Komorn beauftragte die Königin die Hofdame Helene, die Krone aus der Plintenburg zu „rauben“. Das Gewölbe, in dem die Krone verwahrt wurde, konnte von den Helfern der Kottanerin aufgebrochen, die Krone versteckt aus der Burg gebracht werden. Die Krone wurde nach Komorn gebracht. Mit ihr wurde dann der kleine, 12 Wochen alte Ladislaus am 15, Mai 1440 in Stuhlweißenburg gekrönt – wobei alle Bestimmungen der Krönungszeremonie eingehalten wurde:

  • Mit der richtigen Krone,
  • am richtigen Ort und
  • vom rechtmäßigen Coronator, dem Erzbischof von Gran.
Bei der Krönung anwesend waren Graf Ulrich von Cilli und der Herzog Albrecht von Österreich.

Im Frühsommer zog die Königin mit ihrem Gefolge über Raab nach Westen, Helene brachte ohne die Königin und auch ohne ihre eigene Familie den kleinen Ladislaus unter Geleit des Ulrich von Eitzing am Nordufer des Neusiedlersees über Neusiedl/See und Eisenstadt nach Ödenburg,

1440 überließ Königin Elisabeth die ungarische Krone dem österreichischen Herzog und römisch – deutschen Kaiser Friedrich III. und übertrug diesem die Vormundschaft über Ladislaus Postumus. Die Krone blieb für 25 Jahre in Wr. Neustadt. Erst Mathias Corvinus konnte sie nach Ungarn zurückholen. Elisabeth starb zwei Jahre später. Wladislaw III. fiel 1444 in der Schlacht von Varna gegen die Türken. Der junge Ladislaus wurde zum Spielball der dynastischen Politik. Friedrich III. musste ihn auf Druck der Stände herausgeben. Er wurde er dem ungarischen Reichsverweser Hunyadi übergeben. Nach seiner Volljährigkeit 1452 zog er nach Wien und wurde auch in Böhmen und Ungarn als König anerkannt.

Nach dem „Kronenraub“ kehrte Helene aus Ödenburg nach Wien zurück. Sie stand in Verbindung mit dem Vormund ihres Schützlings, Ladislaus Postumus, dem König bzw. Kaiser Friedrich III., der sich für sie in einer Schuldangelegenheit einsetzte. Den versprochenen Lohn erhielten sie und ihre Familie erst 1452 von Johann Hunyadi, dem Gubernator und Regenten für den noch unmündigen Ladislaus Postumus, und zwar einen königlichen Besitz namens Kisfalud auf der Schüttinsel. Die Schenkung wurde 1466 und 1470 von Matthias Corvinus bestätigt. Ladislaus Postumus starb aber schon 1457, erst 17 Jahre alt, in Prag.

Der Bericht der Helene Kottanerin, den sie selbst schrieb oder einem Schreiber diktierte ist in einer einzigen Papierhandschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten Karl Mollay nimmt als Datum der Abfassung die Zeit um 1450 an, also nach der Anerkennung des Ladislaus als ungarischer König. Der Bericht der Kottanerin ist der erste autobiographische Bericht einer Frau in deutscher Sprache im Spätmittelalter und fand und findet dementsprechende große Beachtung in der Forschung. Er wurde „zu einem Selbstzeugnis, das für das spätmittelalterliche Mitteleuropa einzigartig ist. Er charakterisiert die Geschichte einer engagierten, klugen und strategisch handelnden Protagonistin an der Schnittstelle unterschiedlicher sozialer Zugehörigkeiten, die sie durch ihr selbstbewußtes Handeln und Schreiben aktiv mitzugestalten und begreifbar zu Machen vermochte“. (Burkhardt/Lutter 2023, S. 142)

Daten

* um 1400 in Ödenburg
† um 1477 in Wien

 

Hofdame,
Prinzenerzieherin,
Retterin der ungarischen Krone

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Quellen

  • Burkhadt Julia, Lutter Christina: Ich, Helene Kottanerin. Die Kammerfrau, die Ungarns Krone stahl. Darmstadt 1923

  • Mollay Karl: Die Denkwürdikeiten der Helene Kottanerin. Wien 1971

  •  

    Deér Josef: Die heilige Krone Ungarns. Wien 1966