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Die Neue Politik: Gesamtkonzept und " Budgetexpansion"

Anders als bisher sollte die Regierungspolitik Schwerpunkte setzen, denen ein Gesamtkonzept zugrunde lag. Der wirtschaftliche Aufbau stand dabei im Vordergrund. Er sollte auch die Finanzkraft des Landes erhöhen. Das Wirtschaftsförderungsgesetz sollte dafür die Basis bilden. Auf der Basis von Standortanalysen sollten neue Betriebe gegründet und diese dann entsprechend konzentriert gefördert werden. Diese Maßnahmen und die hohen Ausgaben für den Wohnbau und Schulbau, den Straßen- und Güterwegebau erforderten eine ganz andere Budgetpolitik: Es mussten größere Geldmittel zur Verfügung stehen und es mußten Schulden gemacht werden. Dazu der finanzpolitische Berater und ab 1966 auch Finanzreferent Dr. Helmut Vogl:

"Bei der derzeitigen Form des Landesbudgets ... können diese besonderen Schwerpunkte nur in sehr bescheidenem Maße in Angriff genommen werden. Deshalb ist es unserer Meinung nach unbedingt notwendig, durch die Zuführung außerordentlicher Mittel die finanzielle Grundlage für die Erfüllung eines Rahmenplanes zu schaffen. Diese Mittel können im Rahmen einer Landesanleihe, im Rahmen von Auslandskrediten ...oder im Rahmen der tranchenweisen (jährlichen) Aufnahme von längerfristigen Krediten bereitgestellt werden..." Es wurde also bewusst eine stärkere Verschuldung in Kauf genommen, in der Hoffnung, dass durch diese Investitionen die Finanzkraft des Landes wesentlich gestärkt würde. In den Budgets von 1965 und 1966 wurde diese neue Finanzpolitik bereits wirksam. Für den Wohnbau, den Straßen- und Wasserbau, für den Schul-, Spitals- und den Bau von Amtsgebäuden wurden große Summen bereitgestellt. Das Schulbaukonzept etwa sah bis 1975 Investitionen in der Höhe von 600 Millionen Schilling vor: 27 neue und die Renovierung und Erweiterung von 12 Hauptschulen waren vorgesehen, ebenso 79 Neu-, Um- und Zubauten von Volksschulen.

Der Generationenwechsel

Landeshauptmann Bögl blieb  nur für zwei Jahre im Amt. 1966 fanden Nationalratswahlen statt, bei denen die ÖVP auch im Burgenland einen beträchtlichen Stimmenüberhang erzielte. In der burgenländischen SPÖ war die Enttäuschung groß und man begann, nach den Ursachen zu fragen. Die Olah- Krise und die Kandidatur einer eigenen Partei Olahs war nicht der einzige Grund. Man sah auch in der nicht sehr dynamischen Persönlichkeit Bögls eine Ursache für das schwache Abschneiden. Eine Folge dieser Wahl war die Ablöse Hans Bögls durch Theodor Kery am 28.Juni 1966. Auch der sozialistische Landesrat Billes mußte gehen, ihm folgte der Vorstandsdirektor der BEWAG, Dr. Helmut Vogl. Dr.Fred Sinowatz wurde Kulturlandesrat, Karl Krikler erster Landtagspräsident.

Diese neue Führungsschicht der SPÖ gestaltete die Partei erheblich um und machte sie schließlich zur höchst erfolgreichen "Burgenlandpartei".Vor allem gelang es ihr, zahlreiche junge Burgenländer zu gewinnen, wozu auch die Machtinstrumente der Regierung gezielt eingesetzt wurden. Aus der SPÖ-Zeitung "Burgenländische Freiheit" (BF), ein bisher eher langweiliges Funktionärsblatt, wurde zu einer modernen Publikums-Wochenzeitung umgestaltet. Mit den "Burgenlandtreffen", einer Mischung von Parteiversammlung und Volksfest, wurde ein neuer Typus von politischer Basisarbeit geschaffen. Dabei gelang es vor allem, ein neues burgenländisches "Wir-Gefühl", einen Landespatriotismus besonderer Art, zu schaffen. Die Symbolfigur dieses neuen Burgenländertums war der fortschrittsgläube und selbstbewusste Landeshauptmann Kery, der über ein Jahrzehnt hindurch in der Partei nahezu unangefochten war. Mit seiner Person wurde die burgenländische SPÖ weitgehend identifiziert, von ihm bekam sie ihr Image als moderne und reformfreudige Partei. Es gelang den Sozialisten auch, die sozialistische Emanzipationsbewegung mit der der Frau zu verbinden: immer mehr Frauen wurden auch Parteimitglieder.

Mit zur Verankerung der sozialistischen Mehrheit im Lande trug auch die Kulturpolitik unter Sinowatz bei, die das neue Selbstbewusstsein stärkte: Landesmuseum, Biologische Station und Konservatorium wurden errichtet, das Rundfunkstudio war im Entstehen, die Festspiele in Mörbisch und Forchtenstein wurden intensiv gefördert. Neue Schwimmbäder trugen dem steigenden Lebensstandard Rechnung. All das trug zum Eindruck bei: Im Burgenland geht es aufwärts... Natürlich kam die Hochkonjunktur dabei zugute. Die ÖVP wies zwar immer wieder auf die steigende Verschuldung des Landes hin (Plakataktion "231 Millionen rote Schulden"), hatte damit aber wenig Erfolg. Die SPÖ setzte dem ihren Slogan entgegen: "Das Burgenland ist schöner geworden"...

"Staatstragende Funktion" der SPÖ aus der Sicht von Landesrat Sinowatz

" Heute ist es zweifellos so, dass den Parteien,... eine staatstragende Bedeutung zukommt. Auf unser Land bezogen heißt das, dass die Sozialistische Partei, die nunmehr die Führung übernommen hat, nicht nur Aufgaben für sich selbst zu erfüllen hat, sondern in weitem Maße eine landespolitische Verantwortung trägt. Dies aber muss natürlich im Gefüge und in der Zusammensetzung, im Leben und in den Formen der Partei ihren organisatorischen Ausdruck finden. Genau genommen ist das ja schon der Fall, alle unsere Handlungen sind ja letzten Endes von dieser Verantwortung getragen und vereinen sich im Bemühen, die Partei stark und modern, nicht um der Partei willen, sondern um des Landes willen zu gestalten".

(BF 28.10.1966,S.2)

Aus der Erklärung des neuen Landeshauptmannes Kery

Sinowatz, Schlag, Feimann: Aufbruch an der Grenze,S,206

SPÖ - Die "Burgenland - Partei"

Sinowatz,BF 25.1.1968

Kery : Die wichtigsten Ziele der Landespolitik

  • Soziale Anpassung des Burgenlandes an Österreich
  • Wirtschaftliche Stärkung des ländlichen Raumes
  • Weitere Verbesserung der Bildungschancen für unsere Jugend

BF 5.Mai 1967

Neue Methoden in der PolitikLockenhaus - ein Bekentnis zum Burgenland

15 000 jubelten Bögl und Kery zu - Ein Volksfest aller Burgenländer

"Zu einer imposanten Kundgebung wurde das Burgenlandtreffen am vergangenen Sonntag in Lockenhaus. Aus fast allen Gemeinden unseres Landes kamen über 12 000 Männer, Frauen und Jugendliche und legten ein einmütiges Treuebekenntnis zu ihrer burgenländischen Heimat ab und jubelten Altlandeshauptmann Hans Bögl und Landeshauptmann Theodor Kery zu...

... In Lockenhaus konnte man an diesem Sonntag neue Kraft und Hoffnung schöpfen. Freudige Gesichter dokumentierten die unbeugsame Kraft und den Lebenswillen unseres Grenzvolkes. Gleichzeitig aber spürte man, dass diese bescheidenen burgenländischen Menschen die fruchtbare Arbeit der Sozialisten für Heimat und Volk voll anerkennen... "

BF 30.9.1966

"... Überall ist sozialistische Initiative sichtbar. Das Burgenland ist zu einer einzigen Großbaustelle geworden. Neues Leben regt sich in allen Teilen des Landes und so wollen wir die ins Auge gefassten Ziele schrittweise verwirklichen. "

Aus der Rede des Landeshauptmannes Kery bei dieser Veranstaltung

Der Wahlkampf 1968 war tatsächlich ein Wahlkampf wie keiner zuvor. Landeshauptmann Kery besuchte im Wahlkampf nahezu jede Gemeinde, er hielt in 20 Tagen 224 Ansprachen...

Schlagzeile:

"Der Landeshauptmann ist überall"    BF 3.Feber 1967,S.2

Neben den "Burgenlandtreffen" wurde in den "Burgenlandgesprächen" der Ver-such gemacht, das intellektuelle Potential des Landes zu mobiliseren. Zum "Burgenlandgespräch" im Eisenstädter Schwechaterhof im April 1967 kamen über tausend Besucher, um das Podiumsgespräch zu hören.   BF 14.4.67,S.3

Ein Blick hinter die Kulissen: Die budgetpolitische Seite der "Neuen Politik"

Trotz des neuen Selbstbewusstseins und der vielen Erfolgsmeldungen war die wirtschaftliche Situation des Landes auch nach der politischen Wende keineswegs rosig. 1967 hatte der Burgenländer noch immer ein sehr niedriges Durchschnittseinkommen (36 % unter dem österr. Durchschnitt). Nur der Abstand war etwas geringer geworden.

Das wichtigste Mittel in der neuen Wirtschaftspolitik war das Landesbudget, geschickt als "Entwicklungsbudget" getauft. Tatsächlich hatten diese Budgets eine hohe Verschuldung zur Folge. Die meisten Mittel wurden auch weiterhin für den Wohnungs-, Schul-, Straßen- und Wasserleitungsbau ausgegeben. Neue Schwerpunkte kamen dazu: Gesundheitswesen (Ausbau des Krankenhauses Oberwart zum Schwerpunktkrankenhaus) und große Anstrengungen im Kulturbereich (Kulturzentren).

In der Budgetpolitik war eine deutliche Konzentration auf Schwerpunkte erkennbar, die sich auch leicht politisch "verkaufen" ließen. Der Politik der SPÖ lag jedenfalls ein klares Entwicklungskonzept zugrunde, dem die ÖVP nichts gleichwertiges entgegenzusetzen hatte. Die Wirtschaftspolitik wurde mit der Regierung Kery - Sinowatz - Vogl zielorientierter. Man bediente sich erfolgreich der neuen Methoden der Raumplanung. Noch dazu gelang es erfolgreich, das Entwicklungsprogramm als "modern" zu verkaufen, es durch eine breite Mobilisierung der Bevölkerung und durch ein neues Selbstbewusstsein abzustützen. Es gab allerdings auch Rückschläge und Fehlschläge. So etwa waren schon im Voranschlag 1967 Mittel für Grundablösen Autobahn und Seestraße vorgesehen. Beide Vorhaben konnten nicht verwirklicht werden.

Landesentwicklungsprogramm

Das Landesentwicklungsprogramm wurde im Oktober 1967 fertig gestellt. Das Burgenland war das erste Bundesland, das über ein landesweites Entwicklungsprogramm verfügte. Es wurde zur Grundlage der Regierungspolitik.

Landesbudgets - Schulden für den "Fortschritt"

1964: 351 Mill. Ausgaben

1967: 588 Millionen

  • Hochbau + 71 %
  • Schulbau + 211 %
  • Wohnbau + 77%
  • Wasserbau + 70 %
  • Straßenbau + 61 %
  • Landwirtschaft + 88 %
  • Fremdenverkehr + 100 %

Maifeiern in den späten 60er Jahren

Triumph und Mobilisierung der Anhängerschaft. Der 1.Mai gestaltete sich - nachdem die Sozialisten die Mehrheit im Lande errungen hatten - zu Demonstrationen ihrer Stärke und ihres Selbstbewusstseins:

"Das vergangene Wochenende stand im Burgenland ganz im Zeichen der Maifeiern der Sozialisten. Zehntausende Menschen haben den Tag der Arbeit gefeiert. Überall waren die Säle überfüllt, die Festzüge bei herrlichem Maiwetter und die Fackelzüge am Abend hatten eine schier unübersehbare Länge. Ob im Norden oder Süden unseres Landes, die arbeitenden Menschen haben ihren Feiertag überall festlich begangen."

Die Grenze wird durchlässiger

Grenze zu Ungarn:

Ab 1967/68 wurden die Grenzsperren, die viele Opfer kosteten, verändert: Die entlang der Grenze verlegten Tretminen wurden gesprengt, die Grenzverhaue wurden einige hundert Meterin das Landesinnere verlegt. Die Wachtürme aber, 40 Jahre lang Symbol für den "Eisernen Vorhang", und die strenge Bewachung der Grenze blieben. Ab 1970 aber wurde die Grenze durchlässiger: Ungarn warb um Besucher aus dem Westen. Noch immer benötigte man allerdings ein Visum, die Wartezeiten an den Grenzen waren lang. Trotzdem stieg die Zahl der Grenzübertritte rasch an.

BF.5.Mai 1967

Dr. Dorner und die junge Union

Die ÖVP des mittleren Burgenlandes wurde durch eine schwere Krise erschüttert. Der junge Mittelschulprofessor Dr.Dorner brachte die Junge ÖVP auf einen sehr aktiven Kurs und weckte damit das Misstrauen alt gedienter Funktionäre., besonders Erhardts. Dorner wurde schließlich aus seinen Parteifunktionen verdrängt und kandidierte bei den Landtagswahlen auf einer eigenen Liste. Er bekam für seine "Junge Union" nur 297 Stimmen (0,2 %

Brücke oder Damm über den Neusiedler See - Ein wichtiges politisches Thema 1968

Die Verkehrssituation des Seewinkels wurde schon in den 1960er Jahren immer mehr zum Problem. Dieses Problem war umso gravierender, als die Grenze ja durch den "Eisernen Vorhang" undurchlässig war. Als Lösung bot sich eine verkehrsmäßige Anbindung an den Eisenstädter Zentralraum über den Neusiedler See an. Die Idee war nicht neu, tauchte aber im Jahre 1968 wieder auf und wurde auch zum Wahlkampfthema.

Erwogen wurde eine Dammstraße über den See, die streckenweise auch als Brücke geführt werden sollte. In der Mitte des Sees war in der Planung eine Insel vorgesehen, die neben einem Zollamt auch Fremdenverkehrseinrichtungen aufnehmen sollte. Als Argumente für dieses Projekt wurde - neben den verkehrsmäßigen Vorteilen für den Seewinkel - auch vorgebracht, dass dadurch der Wasserhaushalt des Sees stabilisiert werden könnte. Gerade diesen Effekt bezweifelten aber Naturschützer. Sie wandten ein, daß der Damm zu einer breiten Verschilfungszone führen würde. Auch Ungarn stand dem ganzen Projekt sehr ablehnend gegenüber.

Das Projekt der Dammstraße scheiterte schließlich nicht nur an diesen ökologischen Bedenken, sondern auch an den hohen Kosten.

Gesellschaftsleben: "Sonnenwunder" am Eisenberg

Die österreichischen Zeitungen berichteten 1968 viel über den südburgenländischen Ort Eisenberg, Pfarre St. Martin an der Raab, und die "wunderbaren Erscheinungen", die dort stattfanden. Das "geheimnisvolle" Rasenkreuz, das 1956 entdeckt worden war, trat in diesem Jahr wieder besonders deutlich auf. Schon 1956 gab es eine Erklärung des Bischöflichen Ordinariates, die ein "wunderbares Eingreifen Gottes" nicht bestätigte und die Menschen vor Wallfahrten zum Rasen-kreuz warnte. Das hielt aber viele Menschen, besonders ältere Frauen, nicht davon ab, die neue "Wallfahrtsstätte" aufzusuchen.

 

 

 

 

 

 

 

 
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