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Nach Kriegsende war die Situation an der Grenze durch Unsicherheit und Angst geprägt. In den Grenzgemeinden nützten Krimielle, zum Teil in russischen Uniformen, die Lage aus. Es kam zu Morden, Raubüberfällen, Vergewaltigungen und zahlreichen Diebstählen. So wurden etwa am 10. Juni 1946 zwei Hilfsgendarmen und zwei weitere Personen im Deutschkreutzer Wald von unbekannten Tätern ausgeraubt und erschossen. Dieses und viele andere Verbrechen wurden nie aufgeklärt.

1948 begann die Volksrepublik Ungarn mit dem Bau der Grenzsperren über 414 km. Im März 1949 waren sie vollendet: Stacheldrahtverhaue, Wachtürme, Scheinwerfer, Stolperdrähte und Minen sollten die Grenze unpassierbar machen. Auch im Neusiedler See wurden Wachtürme errichtet und Patrouillenboote eingesetzt. Fischer wurden immer wieder verhaftet und nach Ungarn verschleppt. An diesem "Eisernen Vorhang ereigneten sich tausende menschliche Tragödien. Familienmitglieder und Verwandte konnten sich über Jahrzehnte nicht mehr sehen. Für das Burgenland war die Absperrung katastrophal. Es war in den letzten, abgelegenen Winkel Europas gerückt.

Quelle: WAB, Band 132Trotz der Absperrungen gelang es in der Nachkriegszeit immer wieder Menschen, die Todeszone zu überwinden, vor allem Volksdeutsche aus dem Osten Europas waren darunter. Viele wurden dabei schwer verletzt oder getötet. Am 13. Dezember wurde die Leiche des Janos Király auf einem Feld bei Heiligenkreuz, schon auf österreichischem Gebiet, gefunden. Sie war von Kugeln durchsiebt. Oft lagen Flüchtlinge stundenlang schwer verletzt in den Sperren - etwa in der Nacht vom 16. auf den 17. September 1960, wo drei junge Männer aus Ödenburg bei Schattendorf über die Grenze gingen. Zwei von ihnen verloren einen Fuß bzw. ein Bein, der dritte wurde durch Splitter verletzt. In Ritzing wurde ein Mädchen, das aus Ungarn zu fliehen versuchte, durch eine Mine schwer verletzt und blieb stundenlang im Grenzgürtel liegen. Versuche, ihr zu helfen, wurden von den Grenzsoldaten verhindert,   Auch Rettung in letzter Minute gelang manchmal. So etwa Anfang 1957 bei Lutzmannsburg, wo eine junge Frau total erschöpft zusammenbrach. Durch das Weinen ihrer zwei Kinder wurde ein Gendarm auf sie aufmerksam und konnte die drei in Sicherheit bringen. Manche Grenzbewohner hatten schwere Schicksale. Zum Beispiel Josef Hirschl, in Sentpeterfá nahe der Grenze wohnhaft. Er war Theologiestudent und organisierte für seinen ehemaligen Professor die Flucht. Er wurde ausgeforscht und kam in ein Umerziehungslager. Später gelang ihm selbst die Flucht über die Grenze. Als Pfarrer war er dann in burgenländischen Gemeinden tätig.  Selbst wer es schaffte war aber noch lange nicht in Sicherheit. Man konnte nicht einfach um politisches Asyl ansuchen. Die Gendarmerie war verpflichtet, sie der zuständigen sowjetischen Kommandantur zu melden. Sie wurden dann oft wieder nach Ungarn abgeschoben. Die Bevölkerung des Burgenlandes musste dieser Praxis ohnmächtig zusehen und versuchte, wo immer es möglich war, zu helfen. Nach Schätzungen gab es etwa 13 000 Fluchtversuche, nur 400 waren erfolgreich. Menschen, die versehentlich die Grenze überschritten - meist wenn sie ein Gläschen zu viel getrunken hatten – wurden ins Landesinnere verschleppt, etwa 1947 in Tauka. Noch im März 1980 durchbrach ein ungarischer Soldat mit einem Militärbus beide Grenzbalken.

Zöllner und Gendarmen lebten gefährlich. Im September 1949 wurde ein Gendarmeriebeamter beim Ritzinger Helenenschacht erschossen, vermutlich von ungarischen Grenzsoldaten. Im Dezember 1949 wollte ein Landarbeiter seine Freundin über die Grenze bringen. Das Vorhaben wurde verraten. Die Frau wurde durch eine Mine schwer verletzt. Der Mann holte Hilfe. Die Frau wurde von zwei ungarischen Fluchthelfern im Stich gelassen und starb.

Nicht nur der Menschenschmuggel, auch der Warenschmuggel vor allem mit Zigaretten, blühte. Zum Teil waren auch russische Soldaten beteiligt, die mit mehreren Lastkraftwagen Zigaretten nach Österreich brachten. Einer Verhaftung widersetzten sie sich mit Waffengewalt.

1956, während des Ungarnaufstandes, wurden die Grenzsperren teilweise abgebaut. Am 9. März 1956 wurde die Beseitigung des Stacheldrahtes und der Minenfelder beschlossen. Die Grenze wurde aber zunächst noch weiterhin streng bewacht. Die Wachtürme wurden in das Landesinnere verlegt, die Überwachung erstreckte sich nun auf den ganzen grenznahen Raum.Bis Ende Mai 1956 wurde der Eiserne Vorhang von Kittsee bis Klingenbach und im Südburgenland vom Geschriebenstein bis Großmürbischbeseitigt, bis Mitte September waren die Arbeiten abgeschlossen. Die Zahl der Flüchtlinge aus Ungarn stieg an. Von Jänner bis September 1956 kamen 561 Ungarn über die Grenze. Der spektakulärste Fall ereignete sich im Jänner 1956. Ein ungarischer MIG-15 Pilot wollte sich mit seiner Maschine in den Westen absetzen. Ein russischer MIG-15 wollte ihn daran hindern. beide Maschinen stürzten bei Pamhagen ab. Der UNgar kam ums Leben, der Russe konnte sich retten. Die Öffnung des Eisernen Vorhanges wurde auf burgenländischer Seite nicht nur begrüßt. Immer wieder kam es an der Grenze zu Zwischenfällen, in der Zeit von Jänner bis September wurden 33 teils schwerwiegende Grenzzwischenfälle gezählt.

Erstmals war es wieder möglich, Verwandte und Freunde von jenseits der Grenze zu sehen. Nach dem Beginn des Aufstandes kam es vom 28. bis 30. Oktober entlang der Grenze zu zahlreichen Freudenkundgebungen. Viele Menschen aus den grenznahen Dörfern kamen nun ungehindert  über die Grenze, in Mogersdorf fast 1000 Personen, auch Soldaten, in Lutzmannsburg und Deutsch Schützen 500 Personen und in Rattersdorf über 3000. Auf österreichischer Seite sah man dies mit Besorgnis und am 28. Oktober wurde angeordnet, die Grenze deutlich zu markieren. Vom 23. bis 30. Oktober war es möglich, die Grenze mit einem Minnimum an Formalitäten zu überschreiten. Aus Österreich wurden Hilfsgüter geliefert. Im Oktober und November 1956 war Landesrat Bögl als Fürsorgereferent der Landesregierung mehrmals in Ödenburg, um sich über den Bedarf zu erkundigen.

Ab 2.November wurde die Grenze wiedr abgeriegelt. Die Rote Armee sperrte die Straße zwischen Nickelsdorf und Budapest. Der Grenzübergang Rattersdorf - Güns wurde abgeriegelt, das Grenzpersonal in Ungarn ausgetauscht. An den Grenzübergängen Nickelsdorf, Klingenbach und Heiligenkreuz wurden ab 4. November Russen eingesetzt. In vielen Grenzabschnitten wurde die Flucht immer gefährlicher. Ab 6.November standen an allen Grenzübergängen russische Panzer. Der Grenzübergang bei Nickelsdorf konnte erst nach schweren Kämpfen, bei denen auch Panzer eingesetzt wurden, von den Russen unter Kontrolle gebracht werden. Die Mannschaft der Grenzstation floh nach Österreich. Ende November 1956 häuften sich die Grenzzwischenfälle mit sowjetischen Soldaten. In einigen Fällen wurde auch auf Flüchtlinge geschossen, obwohl diese bereits auf österreichischem Boden waren. Der schwerste Zwischenfall ereignete sich am 23. November bei Rechnitz, als ein russischer Soldat auf österreichischer Seite erschossen wurde. Am 2. März 1957 wurde von UNgarn die erneute Abriegelung der Grenze angeordnet. Von April bis Juni 1957 wurden Grenzzaun und MInenfelder wieder aufgebaut.

Hundertausende Flüchtlinge kamen über die Grenze. Der Weg in die Freiheit war aber nur kurz offen. Nach der Niederschlagung des Freiheitskampfes wurden die Grenzsperren wieder aufgebaut, die Absperrung war brutaler als zuvor. Auf Flüchtlinge wurden Treibjagden veranstaltet. Es kam zu schweren Zwischenfällen. Am 23. November 1956 etwa wurde ein Sowjetsoldat, der versuchte, ein Flüchtlingsmädchen zu vergewaltigen, auf österreichischem Boden erschossen. Die Minen waren eine große Gefahr, sie wurden immer wieder auf die österreichische Seite geschwemmt und hatten etwa bei der Treibsandgewinnung in der Pinka schwere Unfälle zur Folge. Auch viele Haustiere und Wildtiere gerieten in den Minengürtel und verendeten oft qualvoll.

Erst Mitte der 1960er Jahre begann Ungarn auf internationalem Druck die Minen zu entfernen. In jahrelanger Arbeit wurden etwa 1 Million Minen entschärft. Sie konnten aber nie vollständig beseitigt werden. Auf burgenländischer Seite musste in aufwändigen Informationskampagnen vor den Gefahren gewarnt werden. Der Stacheldraht blieb stehen und verrostete allmählich. Die Ungarn errichteten nun im Hinterland eine neue Grenzsperre: zwei Zäune, dazwischen ein etwa 10 m breiter „Spurstreifen“. Der äußere Zaum wurde unter Strom gesetzt und mit einem Alarmsystem ausgestattet. Sehr häufig kam es zu Fehlalarmen. Trotz dieser Maßnahmen kam es auch weiterhin zu Fluchtversuchen. Von 1970 bis 1988 wurden etwa 13 000 Fluchtversuche unternommen, von denen nur etwa 400 glückten. Neun Todesopfer waren zu beklagen.

Auch nach der „Liberalisierung“ unter Janos Kádár wurde die Grenze weiterhin streng überwacht. Erst ab 1987 wurde in Ungarn wieder über die Grenzanlagen diskutiert. Diese waren veraltet und sehr fehleranfällig geworden. Ein Staatssekretär im Innenministerium beauftragte den Kommandanten der Grenzschutztruppe mit einem Gutachten, das verheereend ausfiel. Es zeigte die Fehleranfälligkeit der Anlagen, die vielen Fehlalarme und die dadurch bedingte hohe Belastung der Grenzschutztruppe auf. Eine Instandhaltung wäre mit hohen und ständig steigenden Kosten verbunden gewesen. Der Abbau der „moralisch, technisch und politisch veralteten“ Signalanlagen wurde angeregt. Nach Kistenberechnungen empfahl Innenminister Istvan Horvath dem Politbüro den vollständigen Abbau der Anlagen. Dieser wurde am 28. Feber 1989 vom Politbüro beschlossen. Er sollte bis Ende 1990 erfolgen.

Am 14. März 1989 trat Ungarn der Genfer Flüchtlingskonvention bei. Damit verpflichtete sich das Land, Asylsuchende aus der CSSR, der DDR und aus der Sowjetunion aufzunehmen. An 18. April 1889 begannen die Grenztruppen in einer streng geheimen Übung nahe Nickelsdorf mit der Demontage. Der Schießbefehl gegen illegle Grenzübertreter bestand zwar nach wie vor, wurde aber zurückhaltend gehandhabt (Warnschüsse). Noch am 21. August starb ein Flüchtling durch die Kugel eines ungarischen Grenzsoldaten. Am 2. Mai 1989 wurde in einer Pressekonferenz in Hegyeshalom (Straßsommerein) der Abriss der Grenzanlagen bekannt gegeben. Die elektrische Signalanlage wurde mit diesem Tag abgeschaltet. Am 27. Juni 1889 durchtrennten die beiden Außenminister Gyula Horn und Alois Mock öffentlichkeitswirksam vor der Weltpresse den Stacheldrahtzaun. Nunmehr gelangten vermehrt Flüchtlinge aus der DDR und aus Rumänien über die Grenze. Am 19. August 1989 brachen dann mit dem Paneuropäischen Picknick bei St. Margarethen die Dämme. Am 11. September 1989 öffnete Ungarn seine Grenzen und ließ alle Flüchtlinge ausreisen. Am 3. November 1989 öffnete auch die CSSR den Eisernen Vorhang.

 

 

 

 

Grafik / Karte / Foto

 (c) Burgenländisches Landesarchiv - BF ArchivFall des eisernen Vorhanges 1989
(c) Burgenländisches Landesarchiv - BF Archiv

 

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Grenzturm beim Paneuropäischen Picknick.

 

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Quellen

  • Bachkönig Wolfgang: Der überraschend (rasche) Abbau des Eisernen Vorhanges. In : Burgenland schreibt Geschichte 1921-2021.WAB 168. Eisenstadt 2021
  • Szorger, Dieter: Keine Grenze wie jede andere. Das Burgenland und der Eiserne Vorhang in den Jahren 1955 - 1957. In: Vom Traum zum Trauma
 

 

 
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