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Geschichte der Awaren im Überblick

So berichtet der byzantinische Geschichtsschreiber Theophanes über das erste Auftauchen einer awarischen Gesandtschaft in Konstantinopel, und zwar im Winter 558/59, also noch bevor die Awaren sich im Karpatenbecken niederließen. Bald sollte man in Byzanz mehr über dieses Volk erfahren, das überaschend aus den Steppen Eurasiens auftauchte. Und die Awaren sollten den Byzantinern noch manche Schwierigkeiten bereiten.

Manches über die Awaren erfuhren die Byzantiner von den Türken, die damals gerade die Steppenzone beherrschten. Sie waren es auch, die die Awaren nach Westen verdrängten. Die Türken behaupteten, diese Gruppe, die sie Varchoniten nannten, hätten sich den alten Awarennamen zuunrecht angeeignet und sie wären eigentlich Abtrünnige und Flüchtlinge. Daran könnte einiges stimmen. Vermutlich setzten sich die Awaren aus verschiedenen Gruppen von Reiterkriegern zusammen, die die türkische Herrschaft nicht akzeptieren wollten oder konnten. Wie Vetriebene oder Flüchtlinge traten sie in Byzanz allerdings nicht auf. Sie boten sich selbstbewußt als Verbündete an und verlangten dafür von Justinian Geschenke und Jahrgelder, die ihnen auch gewährt wurden. Damit begann natürlich der Zustrom weiterer Gruppen und der zunächst unaufhaltsame Aufstieg. In Zusammenarbeit mit Byzanz unterwarfen sie anscheinend alle Völker in der ukrainischen Steppe. 565 stellte der neue Oströmische Kaiser Justin II. alle Zahlungen ein. Aber da war es bereits zu spät. Die Awaren hatten in den Langobarden in Pannonien neue Verbündete gefunden.

Mit den Awaren hatten sich die Langobarden gefährliche Verbündete eingehandelt.Die Awaren waren ein Reitervolk aus Innerasien, das sich Mitte des 6.Jahrhunderts an der Wolga niedergelassen hatte.565 tauchten sie an der unteren Donau auf, wo sie zunächst von Byzanz hohe Jahrgelder erhielten.Über ihre Frühzeit und ihre Herkunft ist wenig bekannt.Sie gehörten zur Gruppe der Turkvölker und führten ein Nomadenleben. 558 kam erstmals eine awarische Gesandtschaft nach Byzanz und erregte dort wegen ihres exotischen Aussehens großes Interesse: die Männer trugen Zöpfe,die mit Bändern durchflochten waren.Vieles an ihrem Aussehen und ihrer Lebensweise erinnerte an die Hunnen.

Der Awarenkhagan Bajan unterwarf in kurzer Zeit ganz Osteuropa, awarische und slawische Scharen tauchten an den Grenzen des Frankenreiches auf. Im awarischen Machtbereich kam es zu ausgedehnten Wanderungen slawischer Völker nach Westen, in das Karpatenbecken und nach Südosteuropa, bis weit in das oströmische Reich.

Die "Awaren" waren ebenso wenig wie die Langobarden ein Volk oder gar eine Nation im modernen Sinn. Sie waren ein Konglomerat verschiedener Völker, Stämme und Gruppen, die sich teils freiwillig zusammengeschlossen hatten, teils unterworfen worden waren. Das setzte freilich voraus, daß sie durch einen starken Kern zusammengehalten wurden. Diesen Kern bildeten die eigentlichen, die "echten" Awaren - ein türkischer Gesandter in Byzanz sprach von etwa 20 000 Personen. Sie stellten die kriegerische Kerntruppe, die Aristokratie, die Gefolgschaft des Khagans. Dieser war anscheinend ein mit großer Macht ausgestatteter, mit dem Segen der Götter regierender Herrscher. Entscheidend aber war für die awarische Machtentfaltung, daß sie Erfolg hatten, dass sie siegreich waren, dass sie Beute machten. So schlossen sich immer mehr Menschen unterschiedlichster Herkunft den Awaren an, sie wurden zu "Awaren", indem sie awarische Sitten, Tracht, Bewaffnung übernahmen. Ausgrabungen in ungarischen Awarenfriedhöfen haben gezeigt, dass sich auch Menschen romanischer Herkunft den Awaren anschlossen und so selbst zu "Awaren" wurden. Die Zugehörigkeit zur herrschenden Gruppe war natürlich attraktiv und die Awaren waren ja auch keineswegs die Barbaren, als die sie in den chinesischen oder auch in den abendländischen Quellen geschildert wurden. Allein die Tatsache, dass sie in der Lage waren, in wenigen Jahrzehnten ein Großreich aufzubauen und vorzüglich zu organisieren spricht dagegen. Sie waren längst keine primitiven Steppennomaden mehr, die wie einst in ihrer asiatischen Heimat in Filzzelten lebten und mit ihren Herden von Weide zu Weide zogen, sich von Stutenmilch und Fleisch ernährend. Im Zuge ihrer Wanderungen waren sie zu einer "Berufskriegerkaste" geworden, in der die ursprüngliche Gliederung in Clans und Stämme längst zu straff organisierten militärischen Einheiten umgeformt waren.

 Wenn man die Awaren so wie früher die Hunnen und später die Magyaren im Westen immer wieder als "barbarisch - wilde Horden" bezeichnete, so hat das weit weniger mit ihrem tatsächlichen kulturellen Entwicklungsstand als mit ihrem "fremdländischen" Aussehen und mit ihren ungewohnten Verhaltens- und Kampfesweise zu tun. "Unkultiviert" waren die Awaren längst nicht mehr ...

Chronologie der Awarenzeit

  • Frühawarisch: 568 - 665
  • Mittelawarisch 665 - 710
  • Spätawarisch 710 – 810

Lebens- und Wirtschaftsweise

Die Awaren waren mit etwa 168 cm kleiner als bei Männern der Völkerwanderungszeit üblich (170 bis 175 cm). Die Schädelskelette zeigen überwiegend europide Merkmale, insgesamt macht in Ungarn der Anteil von mongoliden oder europid-mongoliden Schädeltypen nicht mehr als 16 % aus. Es gibt aber auch Gräberfelder, in denen dieser Anteil wesentlich höher ist, in Leobersdorf in Niederösterreich etwa sind mehr als die Hälfte Mongolide oder Mischtypen. Jedenfalls ist der Anteil der Monoliden auch in den frühawarischen Gräbern nicht höher. Silke Grefen - Peters nimmt in Leobersdorf eine Zuwanderung von Menschen in späterer Zeit an. Dafür würde auch der dortige Bevölkerungsanstieg sprechen.

Die Quellen berichten, dass die Awaren Reiternomaden waren. Vieles spricht dafür, dass sie zunächst keine festen Siedlungen hatten. Aus dem 6. Jahrhundert wurde bis jetzt keine einzige Siedlung gefunden und die Friedhöfe aus frühawarischer Zeit sind sehr klein. Manche Forscher vermuten, dass sie im Winter mit ihren Viehherden an die untere Donau und auf die Balkanhalbinsel zogen. Diese Möglichkeit war aber nach der Niederlage von 626 nicht mehr gegeben. nun stand nur mehr das Karpatenbecken als Lebensraum zur Verfügung. Vom Beginn des 7. Jahrhunderts an muss man mit einigermaßen ständig bewohnten Plätzen rechnen. auch die Gräberfelder wurden nun größer. Die Awaren lebten in Grubenhäusern , mit Steinöfen in einer Ecke. Die Pferdezucht spielte eine wichtige Rolle, die Gestüte wurden anfangs auf den Kriegszügen mitgeführt. In den Abfallgruben fanden sich Schweine- und Geflügelknochen, auch in den Gräbern finden sich entsprechende Reste von Grabbeigaben. An den Siedlungen wurden mit Gräben abgegrenzte Flächen gefunden, vielleicht Viehpferche. Aber auch Ackerbau wurde betrieben. Nur wenige landwirtschaftliche Geräte waren aus Eisen. Es wurden einfache Pflüge und Sicheln verwendet.

Das Ende der Awaren

Was wurde aus den Awaren nach ihrer Niederlage und der Auflösung des Restkhaganates? Diese Frage wird immer wieder dikutiert und unterschiedlich beantwortet. Walter Pohl und Herwig Wolfram sprechen in ihren Standardwerken vom "Untergang" der Awaren, also vom Aufgehen in der zahlenmäßig überwiegenden slawischen Bevölkerung. Die ungarische Geschichtsschreibung vertritt größtenteils die Meinung, dass die "Reste" der Awaren überlebt haben und in den Völkern der magyarischen Landnahme aufgegangen sind. Zumindest hält man dies für möglich, ohne aber konkrete Beweise vorbringen zu können. Einen Anhaltspunkt sieht man in der Erwähnung der "Marchia Wangariorum" von 860, die man von den spätawarischen Onoguren (=Wangari) ableitet (Mons Wangariorum = Wechsel). Die in karolingischer Zeit erwähnten Hunni werden mit den Awaren gleichgesetzt. In den Reichsanalen werden die Hunnen, Awaren und Magyaren oft in Zusammenhang gebracht. Dies ist wohl auf die ähnliche Kampfesart und Lebensweise, auf die Ähnlichkeiten in Waffen und Bekleidung  (Awaren und Magyaren sind Zopfträger) zurückzuführen. Alle archäologischen Erkenntnisse sprechen aber gegen eine Kontinuität von den Awaren zu den Magyaren. Anlass für Spekulationen gibt auch die nicht geklärte Herkunft der Szekler, die vereinzelt auch mit den Spätawaren in Verbindung gebracht werden.


 

 

 

 

Grafik / Karte

 awarenreich
Das Reich der Awaren.

 

verwandte Beiträge

 Literatur:

Pohl, Walter: Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567 - 822 n. Chr. München 1988

Daim, Falko (Hg): Awarenforschungen I und II. Wien 1992

Wolfram Herwig: Die Geburt Mitteleuropas. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung. Wien 1987

Daim, Falko: Archäologie und Ethnizität. Awaren, Karantanen, Mährer im 8. Jahrhundert. IN: Österr. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd.7, Nr.4. 1996. S. 479-497                           pdf:Journals.univie.ac.at./index.php/oezg/article/view 5665

 

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