Drucken

Woher kamen die Langobarden?

"Ihr Name taucht zu Beginn unserer Zeitrechnung in der Geschichte auf. Noch zu Augustus' Zeiten kam sein Feldherr Tiberius mit diesem Volk in Berührung, das, wie der römische Geschichtsschreiber und Praefectus equitum des Tiberius, Valeius Paterculus, behauptet, ein Stamm 'noch wilder als die germanische Wildheit war'. Ein Jahrhundert später schildert sie Tacitus genauer: "Die Langobarden adelt ihre geringe Zahl. Von großen und mächtigen Völkern umgeben, behaupten sie sich nicht durch Unterwerfung, sondern durch Kampf und Wagemut..."

In der Lüneburger Heide ... bewahren die Namen Bardengau und Bardowick das Andenken an die Langobarden. Hier wurden ausgedehnte Urnengräberfelder eben aus der Zeit des Tiberius und des Tacitus erschlossen. Es war zweifellos ein kriegerisches Volk, denn in einem Teil der Gräberfelder kamen als Begaben der Brandgräber zahlreiche Waffen zum Vorschein (ein-und zweischneidige Schwerter, Lanzen, Schilde mit eisernem Schildbuckel, Pfeilspitzen); Frauen und Kinder wurden in eigenen Gräberfeldern bestattet. Dieser Brauch erklärt sich mit dem schon früh allgemein verbreiteten Wotanskult.... die tapferen Krieger (wurden) nach ihrem Tod von Wotan eingesammelt und in die Walhall aufgenommen, wo sie als 'Einherier' ihr Helden leben weiterführten. Die Bestattungssitten der Langobarden sollten nicht nur Wotans Sammelarbeit entgegenkommen, sie zeugen auch von ihrer kriegerisch - militärischenOrganisation...

An ihre nebelhafte Vorgeschichte erinnerten sich die Langobarden später nur ungenau. Laut ihrer um 640 in Italien schriftlich niedergelegten Herkunftssage stammten die Langobarden aus 'Scadanan', nach Paulus Diaconus von der 'Insel Scandinavia'.... Doch all das gehört in den Bereich der Dichtung, der üblichen frühmittelalterlichen Legendenbildung. Im Frühmittelalter führten die herrschenden Schichten der germanischen Völker ihre Herkunft entweder nach römischem Muster mit Vorliebe auf irgendeinen trojanischen Helden zurück oder siedelten ihre Ahnen in dem mythisch-nordischen Skandinavien an. Eine am Anfang des 9. Jahrhunderts vollendete Langobardenchronik . . . verlegte die Urheimat des Volkes, 'Scatenauge' genannt, an das Elbufer . . . Diese Version deckt sich mit den Ausgrabungsergebnissen, auf Grund derer sich die lango-bardische Kultur in der Elbgegend bis zur Eisenzeit vor Beginn unserer Zeitrechnung zurückverfolgen läßt. Damals lebten sie jahrhundertelang in der gleichen Gegend in volkreichen Dörfern . . . Jahrhundertelang bewohnten sie ihre Urheimat an der Elbe, die sie in ihrer eigenen Sprache Scoringa oder Golaida nannten und wo sie ihrem Glauben und ihrer Tradition nach Wotans auserwähltes Volk geworden waren. Von ihm erhielten sie den Namen 'Langobarden',den sie selbst und ihre Zeitgenossen als 'Langbärte' verstanden."

Wie die Langobarden zu ihrem Namen kamen ...

"Es gibt nämlich eine Insel,die Skadan genannt wird, das heißt im Norden, und da wohnen viele Völker. Unter diesen war ein kleines Volk, das man Winniler nannte, und bei ihnen war ein Weib mit Namen Gambara, die hatte zwei Söhne: der eine hieß Ybor und der andere hieß Ajo. Die führten mit ihrer Mutter Gambara die Herrschaft über die Winniler. Es erhoben sich nun gegen sie die Herzöge der Wandalen, nämlich Ambri und Aissi mit ihrem Volk und sprachen zu den Winnilern: 'Entweder zahlt uns Zins oder rüstet euch zum Streit und streitet mit uns.' Darauf antworteten Ybor und Ajo mit ihrer Mutter Gambara und sprachen: 'Es ist besser für uns, zum Streit uns zu rüsten, als den Wandalen Zins zu zahlen.'

Da baten Ambri und Assi,die Herzöge der Wandalen, Godan, daß er ihnen den Sieg über die Winniler gebe. Godan antwortete und sprach: 'Die ich bei Sonnenaufgang zuerst sehen werde, denen will ich den Sieg geben.' Zu derselben Zeit baten auch Gambara und ihre beiden Söhne Ybor und Aja, welche die Fürsten der Winniler waren, Frea, Godans Frau, daß sie den Winnilern helfe. Da gab Frea den Rat, wenn die Sonne aufgehe, sollten die Winniler kommen, und die Weiber sollten ihr Haar wie einen Bart ins Gesicht hängen lassen und mit ihren Männern kommen. Da ging, als der Himmel hell wurde und die Sonne aufgehen wollte, Frea, die Frau Godans, um das Bett, in dem ihr Mann lag, und richtete sein Antlitz gegen Morgen und weckte ihn auf. Und als er aufsah, so erblickte er die Winniler und ihre Weiber, denen das Haar um das Gesicht hing. Und er sprach: 'Wer sind diese Langbärte'? Da sprach Frea zu Godan: 'Herr, du hast ihnen den Namen gegeben, so gib ihnen nun auch den Sieg.'

Und er gab ihnen den Sieg, so daß sie nach seinem Ratschluß sich wehrten und den Sieg erlangten . Seit der Zeit wurden die Winniler Langobarden genannt. Und danach brachen die Langobarden auf und kamen nach Golaida und hierauf besaßen sie Aldonus, Anthaib und Bainaib und Burgundaib.... Da erhoben sich die Langobarden aus ihren Sitzen und wohnten etliche Jahre in Rugilanda. Hernach herrschte Claffo der Sohn Godehoes. Und nach ihm herrschte Tato, der Sohn Claffos.Zu der Zeit wohnten die Langobarden drei Jahre in der Ebene 'Feld' ( in campis feld)."

Die Langobarden in Niederösterreich, Burgenland und Westungarn bis zum Abzug nach Italien

Die Langobarden wanderten also nach Böhmen, wo man vor 500 eine archäologische Kultur antrifft, die in der langobardischen Kultur Pannoniens und Italiens ihre Fortsetzung findet. Die schriftlichen Quellen werden durch die Archäologie weitgehend bestätigt. Nachdem Odoaker das Rugierreich in Niederösterreich zerstört hatte (487/88) ließen sich die Langobarden in "Rugilanda" nieder. Ausgrabungen in Mähren und in Niederösterreich, im Bereich von Krems, Hollabrunn und Znaim haben dies bestätigt. Sie standen in Abhängigkeit von den Herulern. Mit der Ebene "Feld" ist vermutlich das Tullnerfeld gemein (Ausgrabungen von Maria Ponsee). Schließlich gelang es den Langobarden, sich aus der Abhängigkeit von den Herulern zu lösen und jene zu besiegen. Die langobardische Überlieferung schmückt diese Ereignisse aus: "Die sittenstrengen Heruler waren überhaupt schwer zu ertragen, überdies mit den italienischen Ostgoten, den mächtigsten unter den damaligen Germanen, verbündet, ihr König Rudolf war von Theoderich dem Großen als Waffensohn angenommen worden. Die gespannte Lage wurde durch Rumetruda, Tochter des langobardischen Königs Tato, noch weiter verschärft, die Rudolfs Bruder seines kleinen Wuchses wegen verspottete. Den ihm angetanen öffentlichen Schimpf rächte dieser, indem er die Königstochter in ihrer weiblichen Würde schwer beleidigte, worauf diese - was sonst hätte sie tun können? - den Gast ermorden ließ. Das schlug dann dem Faß den Boden aus. Die Einzelheiten des hierauf entbrannten Krieges wurden von den Langobraden später des langen und breiten ausgeschmückt.Tatsache ist jedenfalls,daß sie die Heruler durch einen entscheidenden Sieg überwanden und ihr Reich zerstörten...."

"Bald nach dem Sieg über die Heruler wurde Tato von seinem Neffen Wacho umgebracht. Tatos Sohn Risiulf ergriff die Flucht, nach dessen Tod wurde sein Sohn, Hildigis, Tatos Enkel, der 'Thronprätendent' ; er zog mit einem Gefolge von 300 Mann unstet umher, hielt sich eine Zeitlang bei den Slawen, dann in Byzanz auf, bis er bei den Gepiden Zuflucht und Schutz gefunden zu haben glaubte, wurde aber von seinen Gastgebern schmählich ermordet. Der 'Usurpator' Wacho erwies sich als einer der fähigsten Langobardenkönige. Wie es bei den germanischen Fürsten üblich war, suchte auch er seine Macht durch Verschwägerung mit anderen Herrscherdynastien zu legitimieren und zu festigen. Als erste Frau führte er Radegunda, Tochter des damals noch selbständigen, über ein starkes Reich gebietenden Thüringerkönigs Bisin heim und heiratete nach deren Tod Austrigusa, die Tochter des Gepidenkönigs Elemund. Bei den Gepiden hieß sie Ostrogotho, was auf eine gotische Mutter deutet und zugleich den Unterschied zwischen den Sprachen der beiden germanischen Völker erkennen läßt. Diese familiären Bindungen benützte Wacho... um die außerhalb Pannoniens lebenden, ehemals mit den Gepiden verbündeten Sueben zu unterwerfen. Im Vertrauen auf die Familienbande und auf die Unterstützung der mit den Goten verfeindeten Gepiden faßte Wacho nach Theoderichs des Großen Tod (30.August 526) im Norden Pannoniens, südlich der Donau, Fuß und brachte die dort ansässigen Sueben und Heruler unter die Botmäßigkeit der Langobarden....Doch erst die dritte Gemahlin Wachos, die inzwischen herangewachsene Salinga, Tochter des Herulerkönigs Rudolf, schenkte ihm einen männlichen Erben, leider zu spät . . . Zum Vormund seines minderjährigen Sohnes Waltari wurde Audoin aus dem Geschlecht Gausus bestellt... Möglicherweise hatte ihm . . . eine Art 'suebischen Putsches' zur Macht verholfen. Die Aufnahme größerer, geschlossener Volksmassen in den Langobardenbund schloß nämlich stets auch die Gefahr eines Volks- oder Stammesaufstandes in sich... Der junge Waltari starb gerade zur rechten Zeit, um Audoin 545/46 zur Aufgabe der bisher schwankenden Langobardenpolitik zu veranlassen. Justinianus' Gold und Geschenke bildeten die triftigsten Argumente beim Zustandekommen einer gegen die Gepiden gerichteten Allianz der Langobarden mit dem Oströmischen Reich. Justinianus überließ Audoin die 'Urbs Pannoniae' und die 'Norikon Polis' , d.h. Südpannonien und das anschließende, noch von Römern bewohnte pannonisch-norische Randgebiet, sodaß die Donau die Grenze von Langobardien nach Gepidien wurde. Der Preis des Bündnisses war die Bekriegung der Gepiden... Für Justinianus' Unterstützung zeigte sich Audoin erkenntlich, denn nach dem Sieg über die Gepiden auf dem 'Asfeld' sandte er den aus 5500 Kriegern bestehenden Kern seiner Streitmacht mit Narses nach Italien. Diese 5500 Langobarden und 3000 Heruler waren es, die Anfang Juli 552 in der Entscheidungsschlacht bei Busta Gallorum den Stoßtrupp des oströmischen Heeres bildeten, an dem sich der todesmutige Reiterangriff der Goten unter dem legendären Totila brach.... Justinian hatte einen schweren Fehler begangen,als er die Langobarden nach Italien ziehen ließ. Sie fühlten sich hier nur allzu wohl und hatten zu viel gesehen. Sie benahmen sich so gewalttätig, daß Narses es für gut befand, sie nach dem Sieg über die Ostgoten sofort heimzusenden. Aber diese Einsicht kam zu spät. Die Städte,Obst-und Weingärten gingen den Langobarden nicht mehr aus dem Sinn."

Die Langobarden in Pannonien

Woher kamen die vielen "Langobarden", die schließlich ein großes Gebiet, ganz Pannonien, beherrschten und zum Teil auch besiedelten? Die Forschung vermutet,daß es eine ständige Zuwanderung von Elbgermanen aus Mitteldeutschland und Nordböhmen gab, daß sich also ganze Gefolgschaften dem so erfolgreichen langobardischen Königen anschlossen. Aber auch einheimische germanische Elemente dürften sich den Langobarden, sobald diese Erfolg hatten und solange ihre Fürsten über das "Königsheil" verfügten ,angeschlossen haben: "Und sie machten viele Knechte zu Freien, damit sich die Zahl ihrer Krieger erhöhe".

 "Als die ersten Langobarden pannonisches Gebiet betraten, fanden sie hier verschiedene Völkerschaften vor. Die nördliche Hälfte des nachmaligen Westungarn stand unter der Herrschaft von Germanen, im Umkreis des Neusiedlersees wohnten Heruler, östlich von deren Siedlungen ... suebische Volksgruppen. Weiter südlich gehörte der Landstrich zwischen dem Plattensee und der Drau zum Randgebiet der italienischen Ostrogoten. Auf allen drei Gebieten lebten Überreste der Bevölkerung der Provinz Pannonien unter germanischer Herrschaft, die Mehrzahl von ihnen - die, eine Handwerker- und Bauernschicht, zu jener Zeit noch geschlossene städtische Gemeinschaften bildeten - als Untertanen der Ostrogoten. Schlechter dürfte es jenen ergangen sein, die unter der Herrschaft der Heruler lebten, zumal sie sowohl in den Städten (z. B. in Scarabantia=Sopron/Ödenburg). . . als auch in den Dörfern, vici (wie z.B.Hegykö), in Gemeinschaft mit ihren germanischen Herren, mithin ohne jede Selbständigkeit leben mußten . . .

Die im Herbst 526 nach Pannonien eingedrungene erste Welle der Langobarden tat dem Wesen nach nichts anderes, als daß sie entlang der Donau von Wien bis südlich von Budapest die Kontrolle über die Befestigungswerke und die Furten übernahm. Die Gräberfelder der ersten Langobardischen Siedler liegen bei den ehemals römischen Zentren . . . Die Eroberer ließen sich offenbar in früheren römischen Siedlungen nieder. . . Eine Massenumsiedlung des langobardischen Volkes fand 546/47 statt, als ganz Westungarn und das Burgenland unter die politi sche Oberhoheit der Langobarden gekommen war, doch das ganze Gebiet wurde auch dann noch nicht besiedelt . . . Eine kleine Enklave der von den Langobarden unterworfenen Heruler bestand weiterhin im Umkreis des Neusiedlersees und der angrenzenden Ausläufer der Ostalpen (Hegykö- Gruppe), während das übrige Gebiet von den Langobarden besetzt war. . .

 Sitz der langobardischen Könige dürfte nach 546 die Kleine Tiefebene Westungarns, das Stromgebiet der Flüsse Raab, Rabnitz und Marcal gewesen sein, wo reiche Fürstengräber (Veszkény) und Adelsgräber (Mosonszentjános) sowie zwei Schwerter mit Goldbeschlägen zum Vorschein kamen... Einige Historiker vertreten die Ansicht, Gepiden und Langobarden seien nur eine dünne Herrenschicht ('Gefolgschaften') gewesen, die sich die ortsansässigen 'Massen' botmäßig gemacht und dem Wesen nach von deren Fleiß und Arbeit gelebt hätten. Dieser ... Auffassung widersprechen die archäologischen Forschungsergebnisse...(es) schieden sich die Siedlungen der romanisierten Einheimischen von denen der Germanen immerhin so weit, dass in den germanischen Siedlungsgebieten die Germanen die überwiegende Mehrheit waren."


 

 

 

 

Grafik / Karte

wanderung langobarden 
Die Wanderung der Langobarden.

 

verwandte Beiträge

 

Quellen

  • István Bóna,Der Anbruch des Mittelalters.Gepiden und Langobarden im Karpatenbecken.Corvina, Budapest 1974, S.22 f.
  • Handschrift zur Geschichte der Langobarden, vermutlich um 669 abgefaßt; auf diese Handschrift, die in drei Versionen überliefert ist, hat sich Paulus Diaconus bei der Abfassung seiner Langobardengeschichte gestützt. Zitiert nach Paulus Diakonus und die Geschichtsschreiber der Langobarden. Historiker des deutschen Altertums. Essen und Stuttgart 1986,S.39 ff.
  • István Bóna,Der Anbruch des Mittelalters,S.24 ff.
  • István Bóna,Der Anbruch des Mittelalters,S.31 ff.
 

 
 
 

footer-epochen voelkerwanderung
footer-epochen