Die Germanen waren den Einwohnern der Provinzen Pannonien und Norikum längst keine Unbekannten. Es gab schon Jahrhunderte lang Kontakte mit den Völkern nördlich der Donau, teils friedlicher, teils kriegerischer Art. Schon zur Zeit des Kaisers Augustus war dort ein mächtiges germanisches Markomannenreich unter dem Fürsten Marbod entstanden, das die Ausdehnung der römischen Grenzen über die Donau hinaus verhinderte, so wie der Cheruskerfürst Arminius in der Schlacht im Teutoburger Wald den Vormarsch der Römer über den Rhein verhinderte. Gegen die mit den Markomannen verwandten, ebenfalls germanischen Quaden und deren Einfälle hatten die Römer zur Zeit des Kaisers Mark Aurel zu kämpfen. Die Zerstörungen, die die Quaden in unseren Gebieten im 3. Jahrhundert anrichteten, waren enorm. In vielen römischen Villen fanden die Archäologen eine Brandschicht. Es wurden aber auch größere Gruppen von Germanen innerhalb der Reichsgrenzen aufgenommen und angesiedelt, etwa rund um das Leithagebirge. Auch am Rande der Römerstadt Scarbantia, in Richtung Wandorf, bestand im 3. Jahrhundert bereits ein germanisches Dorf, das archäologisch nachgewiesen ist.
Im Jahre 378, in der Schlacht von Adrianopel, wurden die Byzantiner vernichtend geschlagen und Kaiser Valens fand den Tod. In diesem Jahr erreichten erstmals gotische, alanische und hunnische Scharen den westpannonischen Raum, also das Gebiet des heutigen Burgenlandes. Die Verteidigung war zusammengebrochen, nichts konnte die germanischen Völker jetzt vom Überschreiten der Donaugrenze abhalten. Die Bewohner der Provinz, Romanen und schon vor längerer Zeit ansässig gewordene Germanen, waren darüber wahrscheinlich nicht sehr glücklich, sie fühlten sich verlassen und glaubten, dass die Regierung die Provinz aufgegeben hätte.
Um 433 wurde die Provinz Pannonien den Hunnen übertragen. Der hunnische Machtbereich erstreckte sich zur Zeit des Großfürsten Bleda (434-445) über ein riesiges Gebiet von Zentralasien bis zur Donau. In diesem Machtbereich lebten auch viele germanische Völker. Mit ihrer Hilfe gelangte Bledas Bruder Attila (445-453) an die Macht. Auch in der Hunnenzeit scheint sich am Leben in der Provinz nicht allzu viel geändert zu haben. In den ehemaligen Römerstädten lagen nun hunnische Besatzungen. Sie zogen - so wie auch die germanischen Föderaten - das Leben in den noch immer leidlich funktionierenden, wenn auch manchmal verkleinerten und teilweise verfallenen Städten vor. In ihrer Umgebung wurden die meisten hunnischen Begräbnisstätten gefunden.
380 wurden hunnische und germanische Kriegerscharen sogar als Föderaten in den römischen Dienst genommen und nun zur Verteidigung der Grenzen eingesetzt. Die befürchtete Katastrophe blieb aber aus, das Leben normalisierte sich wieder; sogar die Großgrundbesitzer kehrten zurück, und schon 383 konnte Pannonien wieder Getreide ausführen. Man lernte also auch mit diesen „Barbaren" zu leben, so wie man in den Jahrhunderten zuvor schon unzählige Gruppen von Menschen, darunter auch viele Germanen. aufgenommen hatte.
Besonders interessant ist, was die Archäologen nun zu den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts, also zu jener Zeit, in der die Völkerwanderung begann, zu sagen haben. Scarbantia wurde offensichtlich ebenfalls angegriffen und auch erobert. Die Mauerkronen der Basteien wurden durch die Belagerer beschädigt, das nördliche Stadttor zerstört. Eine Schlammschichte bedeckte Plätze und Straßen, woraus man den Schluss ziehen kann, dass die Stadt für einige Zeit wenig gepflegt, vielleicht sogar unbewohnt war. In dieser Zeit muss es aber auch einen starken Zuzug von Germanen gegeben haben, denn die für sie typische Keramik taucht nun in dieser Bodenschicht auf. Innerhalb der Stadt, selbst auf dem Forum, wurden Blockhäuser und Lehmhütten errichtet. Die Stadt blieb also bewohnt, selbst nach dem großen Erdbeben von 456, das die Nachbarstadt Savaria (Steinamanger) völlig zerstörte. Manche Forscher vermuten, dass in dieser Zeit christlich gewordene Markomannen unter ihrer Fürstin Fritigil sich in und um die Stadt niederließen. Es könnte auch sein, dass eine Schar von christlich gewordenen Herulern, die um die Stadt ansässig geworden waren, sich der Stadt bemächtigten. Ein bedeutender Fürstensitz, vermutlich der Heruler, befand sich in Heiligenstein - Hegykö, wo überaus reich ausgestattete germanische Fürstengräber gefunden wurden.
Die „Barbaren" erwiesen sich keineswegs als so undiszipliniert und kulturlos, wie es die römische Propaganda zunächst dargestellt hatte und wie es manche Bücher und Filme noch heute tun. Sie hatten lange genug an den Grenzen von Hochkulturen gelebt und waren auch mit der römischen Kultur und Lebensweise durchaus vertraut. Sie traten in römische Dienste, wie schon viele vor ihnen und ließen sich bezahlen. Sie rotteten die ansässige Bevölkerung keineswegs aus, denn von ihren Produkten lebten sie. Das Römische Reich hörte also nicht schlagartig auf zu bestehen. Wie das Beispiel des Hl. Severin zeigt, gab es noch ehemalige Beamte und Soldaten, vor allem aber Vertreter der Kirche, die genügend Autorität hatten, um für ein Mindestmaß an Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Es spricht vieles dafür, dass ähnlich wie um Salzburg oder in den Städten und Kastellen an der Donau auch bei uns ein großer Teil der Provinzbevölkerung ihr gewohntes Leben weiterlebte, selbst dann noch, als die Provinz Pannonien neue Herren hatte. Vor allem im Umkreis der großen Städte und in diesen selbst, also in Scarabantia/Öden-burg und in Savaria/Steinamanger, blieb die romanische Bevölkerung auch dann noch, als sich Germanen zwischen ihnen niederließen. Das Land war also niemals „wüst, menschenleer" oder gar „dem Urwald überlassen". Die Gräber der germanischen oder hunnischen Besatzungen liegen mitten zwischen jenen der Einheimischen. Zwar tauchen neue Grabbeigaben auf, Schmuckstücke etwa, zu denen man Parallelen in Südrussland oder an der unteren Donau fand. Die neue Mode scheint aber bald auch von den Einheimischen übernommen worden zu sein, und in den Werkstätten der weiterhin existierenden Städte wurden bald Stücke hergestellt, die diesem neuen Geschmack entsprachen.