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Über Abstammung und Herkunft der Güssinger gibt es keine Urkunden. Nach der Chronik des Simon von Kéza kamen die Brüder Heidrich und Wolfer "de Vildonis" in der Steiermark, zusammen mit 40 "Rittern" nach Ungarn und erhielten von König Geza II. Besitzungen bei Raab, Wolfer auch einen Besitz "in monte Kiscin pro descensu", also einen Wohnsitz in Güssing, wo er sich eine Holzburg erbaute. Nach H.Dopsch sind die Vorfahren der Güssinger mit einem anderen bayerisch-österreichischen Adelsgeschlecht in Verbindung zu bringen. (H.Dopsch, Die Hengstburg, Wildon und die Herkunft der Grafen von Güssing. In: Die Güssinger. Wiss.Arb.aus dem Bgld 79, S. 185-195)

Heydrich und Wolfer: Die ersten "Grafen von Güssing"

Streng genommen darf man die Familie, die im Werden des Burgenlandes eine so wichtige Rolle spielte, weder "Grafen" noch "von Güssing" nennen. Das ungarische "Comes" meint den Gespan, den Befehlshaber einer Komitatsburg. Der Hauptsitz der Familie aber war nicht Güssing, sondern Güns. In der ungarischen Forschung wird die Familie auch nicht die "Güssinger", sondern die "Günser" (Köszegi) genannt. In den Urkunden werden sie als Heyderici oder "genus Heydrich", in moderner Form Héder genannt. Ein anderer Zweig, später Hédérvary genannt (Heidenreichsthurn), war im Komitat Raab reich begütert.

Der Aufstieg der Brüder Heidrich und Wolfer muß sehr rasch erfolgt sein, sie gehörten offenbar zu den Vertrauten des Königs. Wolfer etwa führte im Auftrag des Königs Verhandlungen mit dem Erzbischof von Salzburg, Heidrich nahm 1158 am Deutschen Reichstag teil. Schon 1135 erscheint Heidrich in einer Urkunde als Gespan des Comitates Ödenburg, 1142 als Hofrichter und 1162 als Palatin.

1157 erfolgte die Gründung des Güssinger Klosters. Wolfer errichtete im Ort "Quisun" ein Kloster zu Ehren der Heiligen Maria und unterstellte es der Erzabtei St. Martinsberg (Pannonhalma). Das Kloster erhielt eine überaus reiche Ausstattung aus den Besitzungen der Familie in der Umgebung. Der geschenkte Grundbesitz war mit Eigenleuten ausgestattet, dazu kamen 46 Erwachsene und Kinder und je 5 Sklaven und Sklavinnen. Frau Lindeck- Pozza, eine der besten Kennerinnen des Urkundenmaterials, hält es für möglich, daß damals die Sklaverei noch üblich war und führt mehrere Belege an. Die Sklaven trugen slawische Namen.

Das Kloster Quizun - Güssing wurde unter König Bela III. (1173-1196) eingezogen und an seiner Stelle eine königliche Burg - vermutlich schon in der modernen, westlichen Steinbauweise - errichtet. Später wird in Güssing wiederholt ein "turris" erwähnt. Güssing war eine der wenigen Burgen, die gegen die Mongolen gehalten werden konnte. Der Sohn des Stifters von Güssing erhielt als Ersatz für die Patronatsrechte über sein Kloster die Patronatsrechte über das Kloster von Kapornak. Entschädigt mußte auch die Erzabtei St.Martinsberg werden. Dieser Prozeß zog sich aber sehr lange hin. Die Benediktinerabtei erhielt schließlich Königsgut für Güssing.

Die Güssinger kamen offenbar nicht nur mit ihrem ritterlichen Gefolge nach Ungarn. Sie begannen schon bald mit der Kolonisation des Landes durch deutsche Bauern. In einer Urkunde aus dem Jahre 1198 , eine Bestätigung des Besitzes der Klosters von St. Gotthard durch König Emmerich, wird eine Schenkung in Heiligenbrunn ( in territorio Novi Castri circa Fontem Sacrum" ) erwähnt und die Bewohner angegeben. Sie tragen durchwegs deutsche Namen. Aus dem Jahre 1330 gibt es eine Königsurkunde, die über die Besiedlung von Spanfurt bei Lutzmannsburg berichtet. Manche Indizien sprechen dafür, daß die "jobagiones" , die Bauern, zwar an Grund und Boden gebunden, aber keineswegs wie zumeist jenseits der Grenze Leibeigene waren. Zumindest hatten sie oft das Recht, mit ihrem gesamten Hab und Gut abzuziehen. "Jobagionen" ist ein nicht übersetzbarer Begriff, er meinte ursprünglich die königliche Burgbesatzungen, wurde später aber auch auf bestimmte Bauern angewandt.

Die beiden folgenden Generationen, Heidrichs Sohn Heinz und dessen Söhne Michael, Heinrich I. und Wernhard (von den Ungarn 'Virunt' geschrieben) bekleideten keine Landeswürden. Erst in der nächsten Generation, unter Heinrich II., den man auch "den Großen" nennt, erfolgte dann der weitere Aufstieg. Wolfers Sohn Heinz wird in einer Urkunde auch "Aenz" geschrieben. Aus der Verwendung der Kurzform Heinz für Heinrich kann man unter Umständen auf die Verwendung des Deutschen am Güssinger Hof schließen. Dafür und ganz allgemein für die kulturelle Bindung der Güssinger an den Westen kann man auch andere Belege finden. Von Michael und Heinrich, Heinz' Söhnen, wird berichtet, daß sie in ihrer Jugend im Ausland waren. Es könnte sein, daß sie während der Thronstreitigkeiten auf der Flucht waren.

Heinrich II. der Große

In den 1260er Jahren gab es einen heftigen Gegensatz zwischen König und Thronfolger. In diesem Kampf erfolgte der Aufstieg der Güns-Güssinger. Heinrich II. von Güssing wurde auf seiten des Königs. Er kommandierte das königliche Heer in der entscheidenden Schlacht König Belas IV. gegen seinen Sohn Stephan V. Er wurde 1244 Gespan von Eisenburg, 1253 Hofrichter, 1260 Palatin. Letztere Würde mußte er zwar nach einem Ausgleich zwischen den streitenden Parteien zwar wieder abgeben, er blieb aber Banus von Slawonien.

Die Anhänger Belas IV. und damit auch Heinrich von Güssing fürchteten aber den Zeitpunkt des Todes des Königs, denn damit erfolgte die Machtergreifung Stephans V. Bela IV. hatte für seine treuen Gefolgsleute insofern vorgesorgt, als er Ottokar von Böhmen verpflichtet hatte, diese für den Fall, daß sie fliehen müßten, aufzunehmen. Heinrich II. lief tatsächlich zu Ottokar über - aber mit all seinen Herrschaften und Burgen, insgesamt 11 Burgen und das dazugehörige Gebiet. Es scheint, als ob Heinrich diesen Schritt als endgültig angesehen hätte, denn erließ sich von Ottokar belehnen und hatte den Wechsel offenbar auch gut vorbereitet: Er hatte eine böhmische Magnatentochter geheiratet. Als aber Stephan V. bald darauf starb, kehrte Heinrich II. unter die ungarische Krone zurück und mischte bald wieder in den folgenden Thronstreitigkeiten kräftig mit. 1274 fiel er.

Besitzungen Heinrichs II. : Er durfte zwei neue Burgen bauen: Güns und Schlaining, und wurde mit den beiden Burgen St.Veit und Bernstein belehnt. Balint Homan, einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber Ungarns, charakterisierte Heinrich II. als "hemmungslos gewalttätig bis zur Grenze der Abenteurerei, ehrgeizig, Interessenjäger bis zur Erbarmungslosigkeit." Lindeck - Pozza findet etwas freundlichere Worte, sie erklärt die Grausamkeit Heinrichs aus dem Geist der Zeit:

" ... ein getreuer Ratgeber und Freund eines etwa gleichaltrigen Königs ..., ein begabter Staatsmann und Heerführer, freilich auch ein Haudegen von offenbar sehr robuster Gesundheit und nichts weniger als friedfertiger Denkungsart. ... zahlreiche urkundliche Zeugnisse berichten über gewaltsam ausgefochtene Meinungsverschiedenheiten mit Standesgenossen, Überfälle, Plünderung gegnerischer Besitzungen, Besetzung fremden Gutes ... Die Urkunden schildern genau, wie zum Beispiel der Wohnsitz eines Gegners überfallen und niedergebrannt wurde, dieser selbst aus der Kirche, in die er sich geflüchtet hatte, herausgezerrt und ihm 'turpiter' der Kopf abgeschnitten wurde, während die Frauen und Kinder in den Flammen umkamen ...

... Auch Heinrich und seine Söhne waren nicht kriminelle Räuber, ihre Kämpfe waren politische Kämpfe um die Macht, die eben mit zeitgemäßen Mitteln ausgetragen wurden ..."

Irmtraut Lindeck-Pozza, Die Herren von Güssing im Lichte der Urkunden. In: Die Güssinger. Wissenschaftl. Arbeiten aus dem Burgenland, Bd.79, Eisenstadt 1989, S. 66

1271 besaß Heinrich von Güssing folgende Burgen: Bernstein, Güns, Gaas, St.Veit (bei Güns), die Burg Roy (nicht identifiziert, vermutlich im Leithagebirge), Neuhaus am Klausenbach und zahlreiche Burgen außerhalb des heutigen Burgenlandes. Schlaining wurde vermutlich von ihm erbaut. In Güns bestand schon früher vermutlich eine königliche Burg, die spätere mächtige Burg und die Stadt wurden wahrscheinlich von Heinrich II. und seinem Sohn Iwein gegründet bzw. mit einem Stadtrecht ausgestattet. 1271 erwarben die Güssinger auch Lockenhaus. Herrschaftsmittelpunkte aber waren Güns und Schlaining.

1279 kam es zu einer Besitzteilung zwischen den Söhnen Heinrichs II., Iwein (Johannes), Nikolaus und Heinrich III.

Nikolaus bekam Lockenhaus und St. Veit, Iwein Güns und Bernstein, Heinrich III. die Burgen in Slawonien. Ein vierter Bruder, Peter, war Bischof von Wesprim und unterstützte seine Familie nach Kräften. 1329 erwarb Nikolaus in einem Tauschgeschäft mit den Ják Rechnitz, die Burg mit der Siedlung, nachdem er zuvor schon einen Teil des Ortes erworben hatte. Später waren auch wieder Güssing und Kobersdorf im Besitz der Güssinger. Man weiß jedoch nicht, wie sie diese Burgen erworben haben. Bis zur Jahrhundertwende bekamen die Güssinger noch weitere 18 Burgen in ihren Besitz. Sie besaßen schließlich nahezu alle Burgen im Komitat Eisenburg und an der Grenze nach Westen, kontrollierten nahezu alle Straßen nach Westen. Immer häufiger wandten sie beim Erwerb der Burgen auch Gewalt an.

Die Güssinger übten ihre Herrschaft über einen großen Teil Ungarns mit Hilfe ihrer "familia" aus. Die "Familiarität" war eine Einrichtung im mittelalterlichen Ungarn, die dem westlichen Lehensverhältnis sehr nahe kam. Es gab jedoch offenbar auch einen wesentlichen Unterschied: die Familiarität konnte jederzeit wieder gelöst werden, während das Lehensverhältnis ja ein lebenslängliches war. Die mächtigen Herren wie die Güssinger nahmen Gefolgsleute in den Kreis ihrer familia auf, wobei diese einen Treueeid zu leisten hatten. Der Erwerb neuer Burgen hatte jeweils die Vergrößerung der familia zur Folge und damit auch größere militärische Macht. Eine interessante Frage ist, woher die familiares, der "niedere Adel" , kamen. Es scheinen mehrere Gruppen zur Entstehung dieser damals in Ungarn neuen Schicht beigetragen zu haben: einerseits kleinere, freie Grundbesitzer, nicht selten "ausländische" Ritter, die als "Gäste" ins Land gekommen waren, oder auch weniger erfolgreiche Angehörige der "großen" Familien, die sich in die familia des Mächtigen begaben und von seinem Aufstieg profitierten, ferner bisherige "Königsdiener", also Angehörige der Königsgefolgschaft, und schließlich die früheren Besatzungen der Königsburgen, die in dieser Zeit "arbeitslos" wurden, da immer mehr Krongut verschenkt wurde. Diese verschiedenen Gruppen wuchsen in der "familia" der Großen zusammen und nannten sich in der Folgezeit "nobiles de comitatu", also Komitatsadel. Am ehesten kann man sie mit den Ministerialen in den deutschen Ländern vergleichen.

Im Dienst der Grafen von Güssing stellten die familiares und bezahlte Soldritter so ein "Privatheer", das anscheinend gut durchorganisert war und nach Fügedi durchaus 3000 Mann umfaßt haben könnte. Auf seiten der Güssinger findet man aber auch die Pfeilschützen von Deutsch - Schützen, obwohl diese dem König unterstanden.

Die Güssinger und das Landeswappen

Das Güssinger Wappen - der von rot und kürsch dreimal gespaltene Wappenschild - bildet das Herzschild des burgenländischen Adlers.

Iwein, Iwan oder Johannes?

Wie kam Iwein von Güssing zu seinem Namen? Oder hieß er vielleicht Iwan oder Johannes? Viel wurde in der Forschung herumgerätselt. Heute scheint klar zu sein: Iwein, wohl der bedeutendste unter den Heinrichsöhnen, hieß tatsächlich Iwein, auch wenn man ihn - den Ungarn war dies vertrauter - auch Iwan nannte und folgerichtig dann Johannes übersetzte.

Woher aber stammt der Name? Er kommt vom " Iwein " Hartmanns von der Aue. Wie vor allem Lindeck - Pozza aus den Urkunden bewiesen hat, waren Namen aus den deutschen Ritterepen damals, im 13.Jahrhundert, in Westungarn weit verbreitet: da gibt es Siegfried, Gunther, Tristan, Lancelot ...

Diese Tatsache erlaubt natürlich interesante kulturhistorische Rückschlüsse: Der Adel Westungarns war mit den damals modischen Ritterepen vertraut, er war also kulturell nach Westen, in das Reich, orientiert.

"Ritterlich" im Sinne der Epen war Iwein freilich kaum. Er war zwar ein tapferer, aber auch äußerst rücksichtsloser Krieger. Darüber hinaus vor allem aber ein guter Diplomat... In einer Hinsicht unterschied er sich von seinem Vater: er legte sich auch mit der Kirche an, mit dem Bischof von Agram etwa und sogar mit dem Erzbischof von Gran. Mehrmals wurde er exkommuniziert, was ihn aber nicht sonderlich zu treffen schien ...

 

 

 

 
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