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Der ungarische Weinbau steckte schon vor dem Auftreten der Reblaus, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in einer tiefen Krise. Weinbau und Kellerwirtschaft waren vielfach veraltert. Es mangelte an Wissen, Bereitschaft und an Kapital für eine Modernisierung. Die Besitzstruktur war denkbar ungünstig und vor allem auf die Eigenversorgung ausgerichtet. Geringe Überschüsse der Kleinbauern, Handwerker und Taglöhner brachten oft nur ein kleines, wenn auch wichtiges, ergänzendes Einkommen.

Ausnahmen in dieser tristen Situation waren Gebiete mit günstigerer Absatzsituation, etwa Tokaj, Ofen oder auch Ödenburg. Vereinzelt gab es auch kapitalkräftige Großgrundbesitzer, die durchaus innovativ waren, etwa die Hauptabtei St. Martinsberg (Pannonhalma), die Weinberge Erzherzog Albrechts in Villány (Vieland) oder auch die Weingüter des Grafen Zichy. Entscheidend für den Neuanfang war aber der totale Zusammenbruch der Weinwirtschaft in der Reblauskrise. Es wurden von Seiten des Staates große Anstrengungen unternommen, die Krise zu bewältigen. Subventionen bekam nur, wer sich auf die neuen Anbaumethoden einstellte. Es gab kostenlose Informationsschriften und Berater, Musterwirtschaften wurden angelegt, Fachausstellungen veranstaltet. Das erlaubte Pflanzengut (Sorten und Veredlungen) wurde vorgeschrieben. Die bisher unproduktiven Sandböden, etwa zwischen Donau und Theiß, die sich als reblausimmun erwiesen, wurden ausgepflanzt. Der Weinmangel und die gute Weinkonjunktur ab 1890 begünstigte die Erneuerung. Es begann die Rekonstruktion in den Berggebieten mit traditionellem Weinbau. Nicht nur die Sorten wurden umgestellt, auch neue Technologien gewannen an Boden, wie etwa bewurzelte amerikanische Unterlagsreben, die in Rebschulen gezogen wurden, die Techniken des Veredelns, das tiefe Rigolen der Weingärten. Der Weinbau wurde aber auch in einigen Gebieten ganz aufgegeben, neue Weinbaugebiete kamen hinzu, wie etwa südlich des Plattensees. 1913 waren schon 320 000 ha wieder  Weinbauflächen, etwa 90 % der Ausdehnung vor der Krise. Man achtete wieder mehr auf die Qualität, die sich erheblich verbesserte. Zum wieder besseren Absatz trug auch die Zollunion von 1907 mit der österreichischen Reichshälfte bei. Der Großteil der ungarischen Weinproduktion konnte innerhalb der Monarchie abgesetzt werden.

Vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte wurden große Anstrengungen unternommen, dem Weinbau wieder zu beleben. Es waren ja 5 % der Bevölkerung direkt und weitere 5 % indirekt vom Weinbau abhängig. Damals wurden auch in vielen westungarisch - burgenländischen Dörfern Weinbauvereine und auch Absatzgenossenschaften gegründet. Die Lehrer und Pfarrer spielten eine wichtige Rolle. Vor allem die Vorbildwirkung der Weinbauzentren  mit ihren Rebschulen waren von großer Bedeutung. Für den späteren burgenländischen Raum waren die Initiativen, die in Ödenburg gesetzt wurden, besonders wichtig. Die Stadt litt unter der Absatzkrise für ihren Qualitätswein. Schon 1819 errichtete die Stadt einen Weinbau - Fonds mit Geldern, die sie aus einem Zehentprozess gegen den Raaber Bischof erhalten hatte. Der Stiftung gehörten neben den Stadtmagistraten gewählte Vertreter der Weinbauern an. Man verwendete das Geld für verschiedene Arbeiten in den Weingärten, etwa die Pflege der Wege. Die Stiftung unterstützte auch die Gründung einer Rebschule des Weinbau Vereins, der 1846 gegründet wurde. Ziel dieses Vereins war die Qualitätsverbesserung und die Förderung des Weinhandels. Die Vereinsmitglieder bildeten eine Aktiengesellschaft. Als Geschäftsführer wurde ein Direktor eingesetzt. Alle Funktionen waren ehrenamtlich. Unter der Direktion des Weinproduzenten Samuel Boor wurde eine Rebschule geschaffen. Sie konnte bald große Erfolge verbuchen. Es wurden in Musteranlagen 30 000 Reben verschiedener Sorten gepflanzt. Man konnte die lebhafte Nachfrage kaum befriedigen.   In den Jahresberichten der Ödenburger Handels- und Gewerbekammer wurden die Ursachen für den Verfall der Weinkultur aufgelistet: Vernachlässigung der Weinbauarbeiten, mangelhafte Kellerwirtschaft, Ausrottung der guten edlen Sorten  um Massenwein zu produzieren, das nachteilige Weinschankregal und die große Steuerlast. Als Gegenmittel empfahl man neben den Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung Steuerermäßigungen, Zollermäßigungen und die Gründung von öffentlichen Kreditanstalten. Der Verein war bald eine angesehene Autorität in allen Weinbaufragen, unter anderem auch bei der Entdeckung und Bekämpfung von Rebkrankheiten. So tauchte etwa 1856 die Pilzkrankheit Oidium oder weißer Mehltau auch in Ödenburg auf. Auf die Nachricht vom Auftauchen der Reblaus errichtete die Stadt schon 1888 eine große Rebschule mit amerikanischen Rebsorten. 1890 wurden auch in Ödenburg die ersten Weingärten mit Reblausbefall entdeckt, einige Jahre später trat auch die Peronospora auf. Auch die Rebschulen des Weinbauvereines wurden ein Opfer der Reblaus. Der Weinbau Verein zerbrach an inneren Konflikten. 1885 entstand die Genossenschaft der Ödenburger Weinproduzenten, die bis 1917 bestand. Viele der Pläne, etwa die Errichtung von Depots und Kellereien, scheiterten am Kapitalmangel. 1895 folgte der Verein der Ödenburger Weingartenbesitzer, der sich vor allem auf die Regelung des Weinausschankes konzentrierte. Es durften Buschenschänken betrieben werden, die Vereinsmitglieder bekamen in bestimmten Stadtteilen für ein- bis zwei Wochen ein Ausschankrecht. Nur Eigenbauweine durften ausgeschenkt werden. Der Verein besaß auch ein eigenes Gebäude mit einer Kellerei. Der Verein besorgte für seine Mitglieder im Großhandel Rebstöcke und Kupfervitriol gegen die Peronospora. Der Verein hatte 1922 890 Mitglieder. 1947 wurde er aufgelöst.

Vor allem auf den schweren und kühlen Böden des Wulkabeckens wurden schon Mitte des 19. Jahrhunderts erste Erfolge mit Rotweinen erzielt. Diese wurden von den Rebschulen in Ödenburg und Eisenstadt propagiert. Schon 1847 wurde der "schwarzedle" Burgunder in Ödenburg, in Walbersdorf und Pöttelsdorf als eine der Hauptrebsorten genannt. In anderen Orten wie Pöttsching, Krensdorf und Sigleß setzte man weiterhin auf Weißweine, etwa den Rotgipfler aus Gumpoldskirchen. Mit der Reblauskrise wurde der Blaufränkische  (früher "Burgunder" oder Blauer Frankentaler genannt) im Mattersburger Raum und im mittleren Burgenland die Hauptweinsorte. Es folgten die Sorten Portugieser, Blauer Burgunder, Saint Laurent und Zweigelt.

Der Weinhandel, der ja bis in das 18. Jahrhundert von den Kaufleuten aus den Oberländern, vor allem aus Schlesien, aber auch Böhmen und Polen besorgt wurde, brach im 18. Jahrhundert  zusammen. Die Weinkaufleute aus diesen Absatzgebieten blieben aus. Nur langsam konnten sich in Westungarn "einheimische" Weinhändler etablieren, die dann aber im 19. Jahrhundert einen raschen Aufstieg erlebten. Wichtig waren etwa die Ödenburger Weingroßhändler Flandorfer und Lenk. Ignaz Flandorfer baute eine große Kellerei und war auch k.u.k. Hoflieferant. Kaiser Franz Josef besuchte seinen Betrieb. In Eisenstadt erfolgte der rasche Aufstieg der Weinhandlung Wolf. Sie wurde 1790 von Joachim Chaim-Wolf, dem Nachkommen einer alteingesessenen jüdischen Familie, gegründet. Nach seinem Tod 1832 führte seine Witwe Franziska Wolf den Betrieb erfolgreich weiter.1849 übernahm Leopold Wolf die Weinhandlung . Er kaufte Häuser in der Nähe der Judengasse auf und errichtete Weinkeller. Er kaufte in Eisenstadt, Rust und anderen Gebieten Weingärten. 1866 übernahmen seine Söhne Adolf und Ignatz den Betrieb und führten ihn unter dem Namen Weingroßhandlung Leopold Wolf's Söhne weiter. Ihr Aktionsfeld erstreckte sich bald über ganz Mitteleuropa. Sie kauften die Weingroßhandlung Bauer in Wien-Simmering. 1904 starb Ignaz Wolf. Seine beiden Söhne Leopold und Sandor übernahmen die Eisenstädter Firma, die Nachkommen seines Bruders die in Wien. Ab 1926 führte Sandor Wolf, der große Kunstmäzen, den Betrieb bis 1938 allein weiter.

In der Zwischenkriegszeit kam die ungarische Weinwirtschaft erneut in eine schwere Krise. Dies gilt auch für den Weinbau im Burgenland. Unter dem hohen Kostendruck bereiteten sich wieder die Direktträger aus, obwohl ihr Anbau seit 1923 verboten war. Direktträger gab es aber auch schon vor der Reblauskrise (hauptsächlich die Sorten Noah, Othello, Isabella, Delaware). Dem Absatzproblem versuchte man durch Auspflanzverbote beizukommen. Positiv war der Anstieg des Anbaues von Tafeltrauben  (in den 1930er Jahren etwa 8 % der Fläche). Erst nach 1935 begann sich die Absatzkrise etwas zu bessern, im Burgenland vor allem nach 1938, als der große deutsche Markt offen stand. Die Weinpreise verdoppelten sich.


 

 

 

 

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Quellen

  • Wein und Weinbau. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland. Band 143. Eisenstadt 2016

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