Literatur           Autor

   
   

Das Hinterland vonCarnuntum war in der ausgehenden La Tène - Zeit wesenlich dünner besiedelt als dann in der römischen Kaiserzeit. Es entstanden nach der Eroberung zahlreiche neue Landgüter und Veteranenansiedlungen. Der Markt von Carnuntum bot günstige Abnahmemöglichkeiten für landwirtschaftliche Produkte durch das Militär.Vor allem die Friedhüfe zeigen die zunehmende Besiedlung, weniger die Bauwerke, die in der frühen Römerzeit wohl überwiegend aus Holz waren und daher kaum nachweisbar sind. Ohne Zweifel sind Teile der boischen Vorbevölkerung im Land geblieben. Angehörige der boischen Oberschicht erhielten schon unter Kaiser Claudius das römische Bürgerrecht. Grabfunde belegen, dass sie schon in der Mitte des 1. Jahrhunderts im Besitz italienischer Importwaren waren. Weitere Bürgerrechtsverleihungen erfolgten in flavischer Zeit, etwa an den Boierfürdet M. Cocceius in der Villa von Bruckneudorf. In den Grabinschriften sind zahlreiche keltische Namen überliefert. Namensinschriften und Bekleidungssitten der Frauen zeigen noch lange ein Weiterbestehen keltischer Traditionen. Neben der einheimischen keltischen Stammesaristokratie zählten wohl auch Händler, Veteranen und Freigelassene zur provinziellen Oberschicht. 

Einige Siedlungen gehen sicher auf auf das Vannius - Gefolge zurück, also auf Germanen, die in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts aus dem Gebiet nördlich der Donau in das römische Reich übersiedelten, also auf Quaden, Hermunduren und Lugier. Rund um das Leithabeirge und am Neusiedler See finden sich immer wieder Fundobjekte germanischer Prägung.

Nach der Eroberung des Landes bis zur Donau kamen mit den Soldaten der Besatzungstruppen auch Verwaltungsbeamte, Kaufleute und Handwerker in das Land. Schon bald wurde auch an Einheimische, zumeist an Persönlichkeiten aus der Oberschicht der keltischen Stämme. die sich den Römern gegenüber als loyal erwiesen, das römische Bürgerrecht verliehen. Aber auch ganze Städte erhielten das Bürgerrecht. Man übernahm anscheinend ziemlich rasch und ohne allzu große Probleme Neuerungen aus dem Süden, vor allem aus dem Bereich der höheren Zivilisation der Römer, etwa im Haus- und Städtebau, in der Landwirtschaft, in Tracht und Religion. Dabei wurde die eigene Kultur keineswegs vollständig über Bord geworfen. Die Romanisierung der Provinz scheint rasch große Fortschritte gemacht zu haben. Natürlich wird es bei aller Bereitschaft zur Übernahme der überlegenen römischen Kultur auch Konflikte gegeben haben. Man kann sich vorstellen, daß der Widerstand der Eroberungszeit noch einige Zeit nachwirkte, auch wenn wir davon keine Nachrichten haben. Auch die Zuwanderung wird man zahlenmäßig nicht überbewerten dürfen. Den Großteil der Einwohnerschaft stellten wohl noch immer die Einheimischen. Die Zuwanderer aus Oberitalien und bald aus anderen Teilen des Reiches konzentrierten sich wohl um die großen Lager entlang der Donau und auf die großen Städte entlang der Haupthandelswege. Die abgelegeneren Gebiete wurden von der Romanisierung weit weniger erfaßt.

Die großen Gutshöfe dienten in erster Linie der Selbstversorgung, aber auch der Beliefrung der städtischen Märkte und des Militärs. Auf den großen Höfen gab es aber auch Handwerker wie Schmiede, Wagner, Töpfer und Weber. Angebaut wurden Gerste, Einkorn, Emmer, Dinkel, Roggen und Hirse sowie Hülsenfrüchte. Einige große Getreidespeicher (horrea) sind nachgewiesen.  An den Hängen des Leithagebirges und im Umfeld von Scarbantia ist Weinbau nachgewiesen.

Es gibt viele Hinweise auf das Fortleben keltischer Kulturelemente, auch unter römischer Herrschaft. So zeigen viele Grabsteine keltische Namen und auch die Tracht, vor allem die Frauentracht, bleibt konservativ – bodenständig. Die Frauen tragen die für Pannonien und Noricum typischen breiten Pelzhüte oder Hauben. In der Männertracht dürfte der Lodenmantel mit Kapuze ein charakteristisches Bekleidungsstück gewesen sein.

Ein schönes Beispiel für die Romanisierung bietet ein Grabstein aus Steinabrückl (Sopronköhida) in der Nähe von Ödenburg. Das Grabmal wurde von Sempronia Catta ihrem Gatten Sempronius Catumarus und ihrem Sohn Sempronius Iustus errichtet. Der Personenname der Eltern weist noch auf ihre einheimische Abstammung hin, der des Sohnes ist bereits vollständig romanisiert. Ein anderes Beispiel bietet ein Familiengrabstein aus Nickelsdorf: die Frau des Titus Flavius Aviuncus trägt zwar noch die einheimische Tracht, ahmt aber bereits die Frisur nach, die damals in Rom Mode war.

In frührömischer Zeit herrschte noch die Brandbestattung vor. Eine besondere Grabform liegt in den "pannonisch-norischen Hügelgräbern" vor. Ein besonders großes Gräberfeld aus dem 2./3. Jahrhundert wurde in JOis gefunden. In Winden legte ein Veteran für seine jung verstorbene Gattin einen von einer Mauer umgebenen Grabgarten an. Der Friedhof in Halbturn umfasst über 300 Brand- und Körperbestattungen.

Unter Kaiser Trajan (98 bis 117) wurde die Provinz in Ober- und Unterpannonien geteilt. Man hielt die Provinz damals für sicher, Truppenteile werden nach Osten, gegen die Daker und die Parther, abgezogen. Die beiden Lager Carnuntum und Vindobona, werden allerdings nun in massiver Steinbauweise neu errichtet. Unter Kaiser Hadrian (117 bis 138), der die Provinz gut kannte, da er dort als Offizier und später als erster Statthalter Unterpannoniens gedient hatte, erlebte auch Pannonien eine friedliche Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges. Der Kaiser selbst besucht die Donauprovinzen. Zahlreiche Siedlungen, etwa Carnuntum und Vindobona, bekommen das Stadtrecht. Bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts verlief die Entwicklung Pannoniens friedlich. Der Zuzug von Menschen scheint in dieser Zeit mit vielen wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechend groß gewesen zu sein. Kamen in der ersten Phase der Romanisierung vor allem Menschen aus Oberitalien, so scheint im 2. Jahrhundert die Einwanderung aus dem Orient zugenommen zu haben. Auch die Zahl der Germanen scheint zugenommen zu haben. Sie dienen auch schon in der römischen Armee, machen gelegentlich auch Karriere. 212 erhielten alle freien Einwohner des römischen Reiches das Bürgerrecht. Im 2. Jahrhundert werden aus Einheimischen, die das römische Bürgerrecht erlangen, und Zugewanderten die Provinzialen, die sich wohl als "Römer" fühlen, zugleich aber ihre regionalen Besonderheiten bewahrt haben. Die einfachen Menschen in den eher abgelegenen, ländlichen Regionen werden wohl auch weiterhin eher weniger von diesem "Reichsbewußtsein" erfaßt worden sein, ebenso wie die Unterschicht der Städte, die Abhängigen und Sklaven.

Im Jahre 167 brach mit dem großen Germanensturm über die Donau die Katastrophe über die Provinz herein. Erst 180 schloß Commodus einen dauerhaften Frieden mit den Germanen.

Die starken Truppenkonzentrationen hatten zur Folge, daß die Provinz Pannonien in der Folgezeit im gesamten Römischen Reich eine wichtige Rolle spielte. Von hier aus ergriffen Feldherrn immer wieder nach dem Kaiserthron. Man hat deshalb das 3. Jahrhundert auch das Jahrhundert der Pannonier genannt. Die Provinz erlebte eine neue Blütezeit.

 

 

 

 

Grafik / Karte

 Norikerin
Norikerin

 

verwandte Beiträge

 

Literatur

Kaus Karl: Gols in Urgeschichte und Römerzeit.Gols 2006

Mocsy Andreas: Die Bevölkerung von Pannonien bis zu den Markomannenkriegen. Budapest 1959

Langmann Gerhard: Ein Viviidiarium in Winden. In: Burgenländische Heimatblätter 29, 1967

Langmann Gerhard: Zwei Keltengrabsteine in Potzneusiedl. In: Urgeschichte- Römerzeit - Mittelalter. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland Bd. 69. Eisenstadt 1984

Nives Doneus: Bestattungsrituale im römerzeitlichen Gräberfeld Halbturn I. In: Carnunteum Jahrbuch 2006/7

Weber-Hiden Ingrid: Sprechende Steine. Grabinschriften erzählen.In: Spuren römischen Lebens im Burgenland. In: Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland124. 2008

 

 

 

footer-epochen roemerzeitfooter-epochen