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Der Leiter des Fremdenverkehrsreferates beschreibt die Situation des burgenländischen Fremdenverkehrs um die Mitte der 1920er Jahre folgendermaßen:

„Der Österreicher, der die Verkehrs- und Unterkunftsverhältnisse des Burgenlandes kennt, wird vielleicht die Bemühungen belächeln, den Fremdenstrom oder auch nur einen bescheidenen Nebenarm davon ins Burgenland zu lenken. Er übersieht, dass die heute am meisten besuchten Gegenden seines Landes einstens auch nicht anders begonnen haben, als jetzt beispielsweise der Neusiedler See beginnt, dessen Anziehungskraft wohl nicht bestritten wird. Ist die Gegend erst einmal entdeckt, so ergibt sich alles übrige von selber. Um bei dem Beispiel des Neusiedler Sees zu bleiben: Es ist ja wahr, dass gegenwärtig die Bahn nur einen einzigen beschleunigten Zug, und auch den nur an einem Sonntag, zu ihm hinsendet, es ist ja wahr, dass in Rust erst heuer das erste Hotel entstanden ist und dass man sich in Neusiedl am See zunächst mit einer auf offenem Wasser auf Piloten gebauten Gastwirtschaft begnügen muss ( die freilich 600 bis 800 Personen zu verköstigen vermag) - aber hier wie überall wird der erhöhte Bedarf, die regere Nachfrage die Vervollkommnung der bestehenden Einrichtungen als eine ganz selbstverständliche Notwendigkeit zur Folge haben. Für längere Beherbergung verwöhnter Gäste besitzt das Burgenland vorläufig eigentlich nur in seinen Kurorten Sauerbrunn und Tatzmannsdorf die nötigen Unterkünfte. Es will bis auf weiteres hauptsächlich als Ausflugs- und Wandergebiet gelten; ferner kann es sich solchen Sommerfrischlern, die auf Komfort verzichten, aber dafür nette, billige, saubere Unterkünfte in idyllisch gelegenen Orten bei einer freundlichen, biederen Einwohnerschaft suchen, mit gutem Gewissen empfehlen."

1921, bei der Angliederung des Burgenlandes an Österreich, konnten nur Bad Tatz-mannsdorf, Sauerbrunn und Kobersdorf als Fremdenverkehrsorte bezeichnet werden. Bad Tatzmannsdorf hatte schon eine lange Tradition als Kurort, der "Pöttschinger Sauerbrunn" (heute Bad Sauerbrunn) war erst im 19. Jahrhundert entstanden, hatte aber durch den Bahnanschluss einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Eher bescheiden war die "Sommerfrische" Kobersdorf ausgestattet. Der Neusiedlersee kam - ebenso wie die eine oder andere Burg - als Ziel für Tagesausflüge in Frage. Das größte Hindernis für einen touristischen Aufschwung war die fehlende Verkehrserschließung. Das vorhandene Potential erkannte man aber sehr wohl und die Landesregierung begann daher recht bald mit einer gezielten Förderung des Fremdenverkehrs. Im Sommer 1924 wurde ein umfangreiches Programm vorgelegt, das zum Teil ambitionierte bis utopische Ziele enthielt. Zielstrebig konnte aber doch einiges davon in die Tat umgesetzt werden, etwa die relativ rasche und intensive Erschließung der Neusiedlersee Region. Dabei stellten die mangelnden Unterkunftsmöglichkeiten das größte Problem dar.

Der 1925 gegründete Landesverband für Fremdenverkehr konnte bald eine intensive Förderung und eine rege Werbetätigkeit entfalten, so dass der Fremdenverkehr allmählich in Schwung kam. Bei einer Werbeveranstaltung im Jahre 1927 für den Neusiedler See wurde erstmals der Werbeslogan „Meer der Wiener" geprägt. Tatsächlich entstanden noch 1925 neue Bäder und Strandanlagen wie zum Beispiel in Podersdorf, Neusiedl am See, Rust und St. Andrä am Zicksee.

In wenigen Jahren wurden Gast- und Beherbergungsbetriebe gebaut und auch schon Hotels mit gehobenem Standard errichtet. Die Bahnverbindung vom Wiener Ostbahnhof zum Neusiedler See wurde verbessert und in der Sommersaison ermöglichten die „Bäderzüge" eine raschere und umfassendere Beförderung der Badegäste. So zählte man im Strandbad Neusiedl am See im Jahre 1927 schon etwa 100.000 Besucher! Auch die Übernachtungsziffern stiegen beachtlich an. Im Jahre 1929 entfielen alleine auf die Seegemeinden die Hälfte der 105 000 Nächtigungen des Burgenlandes. Der Anteil der Ausländerübernachtungen lag knapp unter 20%. Den Hauptanteil hatten die Gäste aus Ungarn und der Tschechoslowakei.
Die Fremdenverkehrswerbung versuchte von Anfang an, das Burgenland als Ferienland für den österreichischen Mittelstand zu propagieren:

„Nicht die Reichen würden das Burgenland aufsuchen, sie werden sich auch in Zukunft dorthin wenden, wohin ihr Auto auf guten Straßen kommen kann, wo elegante Hotels ihrer harren. Aber den guten Mittelstand können wir in unser Land bringen, wenn wir ihm auch etwas bieten. Er braucht Unterkunft und Nahrung. Diese beiden Dinge den Fremden in guter Qualität und zu billigen Preisen zu bieten, das wird unsere Aufgabe sein, wenn wir die Fremden zu dauernden Freunden des Burgenlandes machen wollen. Das Gebotene soll stets mit dem Preis im Einklang stehen. Können wir nur Bescheidenes bieten, dann müssen auch die Preise bescheiden sein. Nur so können wir einen dauernden Fremdenverkehr schaffen, der zu einer ständigen Einnahmequelle für Landwirtschaft und Gewerbe wird."

Die wirtschaftlichen Krisenjahre zwischen 1931 und 1934 traf die burgenländische Fremdenverkehrswirtschaft härter als die in den anderen Bundesländern. Die meisten Urlauber des Burgenlandes, hauptsächlich mittlere und niedrigere Einkommensbezieher, verzichteten in Zeiten der Krise auf ihren Sommerurlaub. Der Kurbädertourismus war allerdings weniger betroffen. Bad Tatzmannsdorf erzielte 1931/32 mit 52 030 Nächtigungen sogar ein Rekordergebnis der Zwischenkriegszeit. Allerdings sanken auch hier die Übernachtungssziffem, und Sauerbrunn konnte 1936/37 mit 65 466 Übernachtungen Bad Tatzmannsdorf deutlich überflügeln!

Die Fremdenverkehrswirtschaft erlitt, wie alle anderen Wirtschaftssparten, einen Rückschlag durch die Weltwirtschaftskrise. Aber sie war das dynamischste Element in der burgenländischen Wirtschaftsentwicklung der Zwischenkriegszeit.

 

 

 

 

Grafik / Karte

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Fremdenverkehr in der Zwischenkriegszeit.

 

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Literatur:

Bauer Ute: Tourismus als Mittel zur wirtschaftlichen ERschließung - Die Gründung des Landesverbandes für Fremdenverkehr im Burgenland 1925 und die Anfänge des Massentourismus bis zum Zweiten Weltkrieg. In: Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf Band 34.Kaposvár 2005

Perschy Jakob Michael: Abbild, Wunschbild, Zerrbild? Ansichtskartenn aus dem Burgenland als Vermittler von Klischee und Wirklichkeit. In: Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf Band 34.Kaposvár 2005 

 

 
 
 
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