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Die Landtagswahl von 1964 war erstmals mit einem "modernen" Wahlkampf verbunden. Schon 10 Monate vorher hielt die ÖVP eine Klausursitzung in Reichenau an der Rax ab, in der sie beschloss, die Meinung der Wähler zu erkunden. Das Fessl-Institut wurde mit einer Umfrage betraut. Deren Ergebnis zeigte bereits auf, dass der ÖVP große Gefahr drohte, die Mehrheit zu verlieren. Dabei wurde die Bundespolitik, die Spannungen, die es damals in der Bundes - ÖVP gab, als eine der Hauptursachen geortet. Aber auch auf Landesebene gab es erhebliche Schwachpunkte. In den "Sachfragen" schnitt die ÖVP, obwohl die führende Regierungs- und Landeshauptmannpartei, schlecht ab. Man schloss daraus, die ÖVP hätte ihre Leistungen noch nicht richtig "vermarktet". Die Umfrage zeigte aber auch, dass der ÖVP - Kandidat Lentsch relativ bekannt war. Darauf baute der Wahlkampf auf, der zur ersten "Materialschlacht" in der Landesgeschichte wurde. Vor allem die ÖVP überschwemmte das Land mit Plakaten, deren Botschaft relativ kompliziert war: "Schon jetzt : 7995 neue Arbeitsplätze, 26 neue Volksschulen, 2600 neue Wohnungen - darum weiter mit Lentsch und seinem Team". Diese Plakate versuchten also, die bisherigen Leistungen herauszustreichen und zugleich Lentsch in den Vordergrund zu rücken. Die Erfolgsmeldung war zwar berechtigt, aber sowohl die Schaffung neuer Industriebetriebe als auch der Wohnungsbau wurden sehr stark mit der SPÖ assoziiert. Zur Plakatwerbung kam noch eine Wanderausstellung und ein recht gut gelungener Werbefilm, Blutspendeaktionen und "Jugendparlamente". Einen Prestigegewinn brachte der ÖVP die Berufung von Franz Soronics als Staatssekretär in die Bundesregierung.

Die SPÖ antwortete mit ähnlichen Methoden. Sie hatte ab 1961 die personelle Erneuerung eingeleitet und mit Kery, Sinowatz, Vogl, Mader und anderen eine Generation von Personen in die Partei geholt, die ihr Gesicht in den folgenden Jahrzehnten bestimmten. Sie waren es, die aus der SPÖ die "Burgenlandpartei" machten. Am Neudörfler Parteitag von 1961, der mit dem 40-Jahr-Jubiläum des Burgenlandes zusammenfiel, hatte Sinowatz in der Denkschrift "40 Jahre Burgenland - 40 Jahre Sozialistische Partei " erstmals jene erfolgreiche Mischung von neuem Burgenlandbewusstsein und sozialistischem Machtanspruch hergestellt. Ein neues, gestiegenes und sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein der burgenländischen Sozialisten sollte sich daraus entwickeln. Dazu passte auch, dass man sich besonders an die Jugend wandte. Im Herbst veranstaltete die SPÖ eine große Jubiläumskundgebung und eine Festakademie, die demonstrativ im Schloss Esterhazy stattfand.

Im Land war der Generationswechsel nach dem Rücktritt Wesselys zwar weitgehend verkraftet,. 1962 hatte Hans Bögl Hans Wastl als Landeshauptmannstellvertreter abgelöst, Theodor Kery war 1962 - obwohl er ursprünglich ein Gegner Bögls gewesen war - von diesem in die Landesregierung geholt worden, und Fred Sinowatz wurde Landesparteisekretär.1962 war die schwere innere Krise der SPÖ weitgehend überwunden. Eine neue Erschütterung kam aus der Bundespolitik, die "Olah - Krise" wirkte sich aber im burgenländischen Landtagswahlkampf noch kaum aus.

Sehr geschickt war der SPÖ - Wahlslogan: "Für ein schöneres Burgenland", dem ein Wahlprogramm in der Form eines "Burgenland-Konzepts" zur Seite gestellt wurde. Die sozialistische Wahlwerbung war also sehr stark auf burgenländische Fragen abgestimmt . Die Wahlkampfargumente waren einfach und wurden immer wieder wiederholt. Sehr oft und deutlich wurde an die Opferbereitschaft und den Einsatzwillen appelliert und immer wieder die Bereitschaft zur Übernahme der Führungsrolle bekundet.

" Eine zentrale Rolle spielte das Entwicklungskonzept ' Für ein schöneres Burgenland', das von Fred Sinowatz und Helmut Vogl formuliert wurde. Es fasste die landespolitischen Vorstellungen der Partei zu einem weit gespannten Programm zusammen. Zum ersten Mal wurde damit über die Bereiche der einzelnen Ressorts in der Landesregierung hinaus eine langfristige Konzeption entwickelt und ein Bekenntnis zu einer selbständigen Bewältigung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme abgelegt. Der Glaube an die Lebensfähigkeit des Landes trat an die Stelle der Resignation der Konservativen im Lande... und es gelang so tatsächlich, die politische Zielsetzung der Sozialisten mit Hilfe einer konsequenten Öffentlichkeitsarbeit in das Bewusstsein vieler Wähler zu bringen.

Schon 1963 wurde auf das politische Umfeld im Lande sorgfältig Bedacht genommen... Ganz bewusst demonstrierte man Seriosität und Sachlichkeit..." Sinowatz, Schlag, Feymann: Aufbruch an der Grenze, S.187

Eine nicht unerhebliche Rolle für den Wahlausgang dürfte der Ausbruch der Habsburg-Frage gespielt haben, die von der SPÖ geschickt mit der "Esterhazy-Frage" verknüpft wurde. Zwei Tage vor der burgenländischen Wahl fuhr der ÖVP - Generalsekretär Hermann Withalm zu Otto von Habsburg, um ihn zur Zustimmung zu einigen Fragen in der Bundespolitik zu bewegen. Lautsprecherwagen der SPÖ verkündeten daraufhin im Burgenland: "Wer ÖVP wählt, wählt Habsburg und Esterhazy"- eine damals noch immer sehr wirksame Parole, da das Feindbild Esterhazy für viele Burgenländer noch immer allgegenwärtig war.

Das Ergebnis der Landtagswahl vom 22.März 1964 brachte dann die in ganz Österreich viel beachtete Wende in den Mehrheitsverhältnissen: die ÖVP bekam 47,3 %, die SPÖ aber 48,2 % der Stimmen. FPÖ und KPÖ verloren an Stimmen, die FPÖ behielt aber ihr Mandat. Im neuen Landtag stand es 16 (SPÖ) zu 15 (ÖVP) zu 1 (FPÖ)., in der Landesregierung weiterhin 3:3. Das Burgenland war damit das einzige österreichische Bundesland, in dem es einer Partei gelungen war, die Mehrheitsverhältnisse umzudrehen.

In der ÖVP sah man in diesem Wahlergebnis nur eine Auswirkung der ungünstigen, vor allem bundespolitischen - Umstände. Man hoffte, die Niederlage bei der nächsten Wahl rückgängig machen zu können. Erst unter "ferner liefen" erkannte man den Strukturwandel im Lande als für die ÖVP ungünstig. Keinerlei Schuld aber sah man in der ÖVP - Landesführung. Es wurde übersehen, dass es den burgenländischen Sozialisten gelungen war, eine starke wirtschaftspolitische Kompetenz zu erwerben. Bei der Ansiedlung der vielen neuen Betriebe galten in der Öffentlichkeit die Sozialisten als die treibende Kraft, die neuen Industriegemeinden wie etwa Mattersburg und Großpetersdorf waren sozialistisch geführte Gemeinden.

Die SPÖ Burgenland auf dem Vormarsch

Im Jahre 1964 hatte die SPÖ im Lande bereits 25 000 Mitglieder; etwa jeder siebente erwachsene Burgenländer war Parteimitglied. 287 Lokalorganisationen standen zur Verfügung, 4500 Vertrauenspersonen, 125 Bürgermeister und 145 Vizebürgermeister.

Sinowatz am 2.11. 1963 über seine Partei :

" Dieser machtvolle Aufstieg unserer Bewegung in diesem Land an der Grenze war aber nur möglich durch die stete Beobachtung der gesellschaftlichen Veränderungen. Auch in der Gegenwart erleben wir den Umbruch im Dorf, der sich nicht zuletzt im Ende der früheren Dorfgemeinschaft manifestiert. Eine in neuen Kategorien denkende Jugend wächst heran; tausende Frauen, die bisher zur Landwirtschaft zählten, wurden in den industriellen und gewerblichen Arbeitsprozess eingegliedert. Gerade in dieser Zeit ist die Organisation für den arbeitenden Menschen bedeutsamer denn je. Es geht darum, durch sie einen Teil der gesellschaftlichen und sozialen Rolle der einstigen Dorfgemeinschaft zu übernehmen und den vielen aus ihrem sozialen Bereich entwurzelten Menschen ein neues politisches Heimatgefühl zu geben ...Daneben gilt es, den vielfach noch vorhandenen Mangel an Selbstbewusstsein zu überwinden und vor allem in den entwicklungsbedürftigsten Gebieten des Landes den Menschen ihre soziale Situation ins Bewusstsein zu rufen. Wir müssen der Gefahr eines geistigen und materiellen Provinzialismus entgegentreten und den Hang zu einem falschen kleinbürgerlichen Ideal begegnen ..."

Aus einem Rundschreiben der ÖVP an ihre Funktionäre nach der Wahlniederlage:

" ...So gesehen bedeutet das burgenländische Ergebnis für die ÖVP einen echten Ansporn, alle Anstrengungen daran zu setzen, dass Österreich weiterhin nach den Prinzipien einer christlich-demokratischen Ordnung geführt wird und nicht in die Klauen des Sozialismus fällt..."

ÖVP - Beurteilung der Wahl Bögls mit Hilfe des Abg. Rezar:

"Rezar erwies den Sozialisten auch später noch so manchen Liebesdienst! Als er aber seine Schuldigkeit getan hatte, wurde ohne Rücksicht auf die FPÖ eine neue Wahlordnung beschlossen, die den Freiheitlichen... kaum mehr eine Rückkehr in den Landtag gestattet..."  Geschichte der ÖVP, S.59

LAbg. Probst in der BF 15.2.1964

Wem gehört das Burgenland?

" Ein Fünftel unseres Landes gehört Dr.Paul Esterházy. Er ist nicht nur der mächtigste Großgrundbesitzer Österreichs, er bestimmt nicht nur die Agrarpolitik dieses Landes, sondern er ist ein Hemmschuh für jede wirtschaftliche Entwicklung unserer Heimat.

  • Wenn in Frauenkirchen eine Schule gebaut werden soll, dann muss man Dr. Esterházy fragen, denn ihm gehört der Bauplatz.
  • Wenn aus Sauerbrunn wieder ein echter Kurort entstehen soll, dann muss man mit Esterházy reden, denn ihm gehören die Quellen.
  • Wenn am Neusiedler See neue Badeanlagen entstehen sollen, dann muss Esterházy einverstanden sein, denn ihm gehören der See und die Ufer.
  • Wenn sich in der Umgebung von Lockenhaus ein Wasserleitungsverband gründet, dann muss mit Esterházy verhandelt werden, denn er besitzt das Quellgebiet....

Wer ist Esterhazy?

Als Belohnung für seine 'österreichfreundliche Haltung' verschafften ihm seine Freunde von der ÖVP die österreichische Staatsbürgerschaft und brachten ihn aus Ungarn in die Schweiz. Dort lebt der 'österreichische Staatsbürger' heute - und er lebt nicht schlecht von den vielen Millionen, die er aus dem Burgenland und aus der Arbeit seiner Bevölkerung herauspresst."

BF 7.3.1964

Die Gründung der BEWAG, ihre raschen Erfolge, der Straßenbau, der neue Wasserleitungsverband und viele andere öffentliche Projekte wurden eher den Sozialisten zugeschrieben. Damals ebenfalls noch wenig beachtet wurde die Tatsache, dass sich die SPÖ eine sehr starke Kompetenz in der Schul- und Kulturpolitik erarbeitet hatte. Unterschätzt wurde auch der starke soziale Strukturwandel, in dessen Verlauf zehtausende Burgenländer die Landwirtschaft verließen und zu Arbeitnehmern wurden.

Die Regierungsbildung zog sich lange hin. Die ÖVP war nicht bereit, allzu viele Kompetenzen abzugeben, und sie war nicht bereit, Bögl als Landeshauptmann zu wählen. Parteienverhandlungen scheiterten, die ÖVP fühlte sich durch ein SPÖ - Terminultimatum erpresst. Am 5.Juni 1964 wurde endlich ein Kompromiss mit der ÖVP gefunden. Im Arbeitsübereinkommen wurden auch die Einflussbereiche in den Landesgesellschaften aufgeteilt: Die BEWAG, die Pauliberggesellschaft und die Erdöl Ges.m.b.H. bekamen einen "roten", die Kurbad Tatzmannsdorf AG und das Fernheizkraftwerk Pinkafeld einen "schwarzen" Aufsichtsratsvorsitzenden... Im letzten Augenblick scheiterte das Parteienübereinkommen dann aber an der Lehrerfrage. Diese wurde von beiden Parteien mit Recht als enorm wichtig angesehen. Die ÖVP war nicht bereit, dem Landeshauptmann die Personalkompetenz über die Lehrer zu überlassen.

Bögl wurde schließlich mit Hilfe des freiheitlichen Abgeordnete Rezar zum ersten sozialistischen Landeshauptmann des Burgenlandes gewählt. Wie schwer es der ÖVP fiel, den Wechsel zu akzeptieren, zeigte sich sofort, als der neue Landtagspräsident Sinowatz dem eben gewählten Landeshauptmann Bögl das Wort erteilte: die ÖVP verließ den Sitzungssaal...

Der ÖVP-Spitzenkandidat Lentsch resignierte aus gesundheitlichen Gründen. Der neue Landeshauptmannstellvertreter wurde Reinhold Polster. Mit der Nominierung Polsters setzte sich die ÖVP insofern über ein konfessionelles Vorurteil hinweg, als Polster evangelisch war. Lentsch blieb weiterhin Parteiobmann.

Später trat die ÖVP dann doch im Landtag der Regierungserklärung bei, nachdem man auch in der Lehrerfrage einen Kompromiss gefunden hatte: Der Landeshauptmann betraute den Schulreferenten, den ÖVP-Landesrat TInhof, mit den Personalangelegenheiten, dieser musste sich jedoch mit dem sozialistischen Regierungsmitglied Kery bei Personalentscheidungen ins Einvernehmen setzen. Damit war auch bei der Lehrereinstellung der schwarz-rote Proporz festgeschrieben.

"Es wurde im Burgenland kein Wunder bewirkt, sondern mit großem Einsatz für die Menschen gewirkt. Wohl stimmt es, dass der Wind günstig gewesen ist, aber das Entscheidende war doch, dass die burgenländische SPÖ die Segel richtig zu setzen vermochte und so den günstigen Wind auch zu nützen verstand". Sinowatz, Schlag, Feymann: Aufbruch an der Grenze, S.189

 1964 bis 1968: Ein umfangreiches Arbeitsprogramm

Das Koalitionsübereinkommen sah einen großen Katalog neuer Gesetze und Vorhaben vor: Wirtschaftsförderungsgesetz, Fremdenverkehrsgesetz, Landesraumplanungsgesetz, Kindergartengesetz, Jugendschutzgesetz, Land-wirtschaftliches Berufsschulgesetz, Bauordnung...

Gemeinsam wollte man ein Wohnbaukonzept erarbeiten und für eine Südautobahntrasse durch das Burgenland und für eine Schnellstraße Eisenstadt - Wien eintreten.

 

 

 

 

 
 

 

 

 

 
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