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Die Februarkämpfe von 1934 fanden im Burgenland kaum ein Echo. Lediglich in fünf Gemeinden kam es zu Zwischenfällen. In Pöttsching versuchten einige Sozialdemokraten, sich zu bewaffnen. Der Gendarmerie gelang es jedoch zuvor, die Waffen zu beschlagnahmen. In Siegendorf wurden aus einem Gebäude einige Schüsse abgegeben. Gendarmerie und Landesschützen stürmten das Haus und verhafteten die dort Anwesenden. In Neutal wurden Waffen, darunter auch ein Maschinengewehr, beschlagnahmt. In Mörbisch kam es zum schwerwiegendsten Zwischenfall, allerdings nicht von Sozialdemokraten, sondern von Nationalsozialisten ausgelöst. Am Abend des 12. Feber zogen die in Mörbisch starken illegalen Nationalsozialisten durch das Dorf und riefen dabei: "Wer hat uns verraten ? Die Sozialdemokraten! Wer zeigt uns die Krallen? Die Christlichsozialen! Deutschland erwache! Dollfuß verrecke!". Die Gendarmerie und das Schutzkorps mussten sich zurückziehen. Die Gendarmerie konnte noch Hilfe aus Eisenstadt herbeirufen, dann wurden die Telefonleitungen zerschnitten. Die Nationalsozialisten feuerten ihre Waffen ab und schüchterten ihre Gegner ein. Einige Stunden später trafen Gendarmerieverstärkungen und Heimatschutztruppen ein. 39 Personen wurden verhaftet. Von einem "Putsch" der Nationalsozialisten in Mörbisch wird man allerdings kaum sprechen können.

Auf der Seite der Regierungstruppen, die die Erhebung in Wien und in der Steiermark bekämpften, wurden Burgenländer eingesetzt. Das burgenländische Feldjägerbataillon zu Rad Nr. 1 aus Neusiedl unter Oberst Kraus musste an den Kämpfen in Kapfenberg und in Wien, beim St. Marxer Hof und beim Sandleitenhof, teilnehmen. Es hatte vier Gefallene und 12 Verwundete zu beklagen.

Noch am 12. Feber verhängte die Sicherheitsdirektion  für das Burgenland das Standrecht. Neben der Gendarmerie wurden auch die bewaffneten christlichsozialen Wehrverbände eingesetzt: die Landesschützen unter Ing. Franz Strobl und Adolf Wimmer, der Heimatschutz (früher Heimwehren) unter Walter Riebl und N. Villefort und die Ostmärkischen Sturmscharen unter Ulrich Sattler.

Die Regierung ging nach dem 12. Feber gegen alle Gegner der Vaterländischen Front, gegen Sozialisten, Kommunisten und Nationalsozialisten, scharf vor. Beamte und Lehrer wurden entlassen, selbst dann, wenn ihnen kein konkretes Vergehen vorgeworfen werden konnte. Es genügte, wenn sie mit einer verbotenen Partei sympathisierten, sich anerkennend über sie äußerten, auffallend gern mit "berüchtigten" Mitgliedern der verbotenen Parteien verkehrten, die Regierung oder Maßnahmen der Regierung "schmähten" . . . Ja sogar "dass er vaterländische Plakate bespöttelte oder sich über den vaterländischen Gruß lustig machte" konnte zur Entlassung führen.

Einige Sozialisten, Kommunisten und Nationalsozialisten arbeiteten illegal weiter. Die "Revolutionären Sozialisten" (Febristengruppe) gaben die die illegale "Burgenländische Freiheit" heraus. Diese löste, da sie genaue Informationen über das Geschehen im Lande enthielt, beträchtliche Unruhe aus, da die Polizei nicht eruieren konnte, wo sie gedruckt wurde. Am 2. Oktober erschien die Nr. 2, die in der Tschechoslowakei gedruckt wurde. Es gelang, die Zeitung in das Land zu schmuggeln. Diese griff vor allem die "Huldigung" der Vaterländischen Front anlässlich eines Aufmarsches in Eisenstadt für Erzherzog Friedrich auf und malte das Gespenst einer Wiedererrichtung der Monarchie an die Wand. Die Aktivitäten der Revolutionären Sozialisten beschränkten sich allerdings auf wenige, stark sozialdemokratisch geprägte Gemeinden im Nordburgenland (Neufeld, Siegendorf, Pöttsching, Sigleß, Steinbrunn, Hornstein). In Eisenstadt war eine kommunistische Gruppe aktiv.

Der Kontakt der Sozialisten zu ihren ins Ausland geflüchteten Parteiführern wurde von Hoffenreich und Richard Berczeller aufrecht erhalten. Sie trafen Leser mehrmals in Pressburg. Von dort transportierten sie die "Burgenländische Freiheit" nach Ödenburg, von wo sie über die Grenze geschmuggelt wurde. Hans Bögl sorgte dann für die weitere Verteilung. In der Illegalität wirkte auch die "Sozialistische Arbeiterhilfe", die Not leidende Familien unterstützte.

Viele Sozialdemokraten waren stark verunsichert. Man war vom Verhalten der Führer enttäuscht, die zum Teil noch während der Kämpfe in Wien ins Ausland flohen. Manche sozialdemokratische Funktionäre wie etwa der Stoober Paul Kiss wandten sich von der Sozialdemokratie ab, traten zur NSDAP über.  Die Verunsicherung  nützten die Funktionäre der Vaterländischen Front. So sagte Landeshauptmann Sylvester Mitte Feber 1934:

"Eine große, mächtige Partei hat in diesem Landtag keine Vertreter mehr. Die Partei der Sozialdemokraten in Österreich hat es trotz aller Wahrnehmungen und Ermahnungen nicht verstanden, zur rechten Zeit ihre Politik den geänderten Verhältnissen anzupassen, und es musste zwangsläufig zur Katastrophe, zur Auflösung dieser Partei, kommen. Der Herr Präsident dieses Hohen Hauses hat in seiner Eröffnungsansprache schon darauf verwiesen, dass wir alle die unglücklichen Ereignisse der jüngsten Tage verurteilen und die Opfer des wahnwitzigen Aufstandes auf das tiefste bedauern. Es war nur gerecht, dass Volksvertreter, die ihre Mandate dazu benützen, um ihre Anhänger zur Auflehnung gegen den Staat zu veranlassen, ausgeschaltet wurden."

Für große Unruhe unter den früheren Sozialdemokraten, aber auch Landbündlern, Großdeutschen und Nationalsozialisten des Burgenlandes sorgte die offen demonstrierte Habsburgfreundlichkeit des Ständestaates. Die Adelstitel wurden wieder eingeführt, die Landesverweisung der Habsburger wurde aufgehoben. Am 16. September 1934 konnte Erzherzog Friedrich vor den Heimwehren eine große Rede halten. Otto von Habsburg wurde in 177 Gemeinden des Burgenlandes zum Ehrenbürger ernannt. Bei einer Veranstaltung in Ödenburg trat der Erzherzog für eine Wiedererrichtung des alten  Ungarn ein.

Im Gefolge der Weltwirtschaftskrise war auch im Burgenland die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Besonders schlimm betroffen war der Raum Neufeld, wo das Braunkohlenbergwerk stillgelegt und Industriearbeiter abgebaut wurden, aber auch in den Bauarbeiterdörfern des Mattersburger Raumes und des mittleren Burgenlandes. Mit der allmählichen Mechanisierung der Landwirtschaft wurden auch zahlreiche Landarbeiterpartien arbeitslos. In der Landwirtschaftskammer gab es ab 1934 nur mehr Vertreter des christlichsozialen Bauernbundes und des Landbundes.Die Kammerräte wurden ernannt. Die Kammer war aber nur mehr Vollzugsorgan der autoritären Regierung. Dollfuß ernannte den aus der Landwirtschaftskammer kommenden Dipl. Ing. Sylvester zum Landeshauptmann. Innerhalb der Vaterländischen Front war swe "Bund der burgenländischen Land- und Volkswirte die Vertretung des Bauernstandes. Im ständischen Landtag saßen überproportional viele Bauern, der nGroßgrundbesitzer Max Ernst Graf Coreth wurde Landesstatthalter. Die Landwirtschaft und vor allem die Forstwirtschaft wurden besonders gefördert, durch Kreditaktionen für die Modernisierung. Davon profitierten hauptsächlich Großgrundbesitzer und Großbauern. Die immer wieder geforderten und versprochenen Entschuldungsaktionen für die Kleinbauern kamen nie zustande. Das kostete dem Regime viel Sympathie unter den Bauern. Die Weltwirtschaftskrise traf aber auch den Großgrundbesitz. In den 1930er Jahren wurden mehrere Gutshöfe aufgelöst. 3000 ha Land wurden an Bauern verkauft und 9000 ha verpachtet.  Das war alerdings ein Tropfen auf den heißen Stein und keine Lösung für die Landnot. Durch staatliche gestützte Aktionen konnten zumindest die Milch- und Käseüberschüsse abgebaut werden. In der Schweinehaltung wurde die Fütterung mit aus UNgarn importierten billigen Getreide verboten. Eine schwere Existenzkrise für viele Schweinehalter war die Folge. Die Eingriffe in die Getreide-, Wein und Zuckerrübenproduktion durch die Regierung hatten gro´ße Unzufriedenheit vieler Bauern zur Folge. Sie sahen immer mehr im Anschluss an den deutschen Wirtschaftsraum eine Lösung für ihre Probleme.

Der Ständestaat begann auch im Burgenland mit Maßnahmen zur "produktiven Arbeitslosenfürsorge". Arbeiten an Güterwegen und Landesstraßen wurden in Angriff genommen, das Land vermittelte arbeitslose Landarbeiter. Das Ziel war in diesem Bereich, alle ausländischen Landarbeiter, die auf den Großgütern noch beschäftigt waren, zu verdrängen und durch Burgenländer zu ersetzen. Tatsächlich gelang es, zumindest in den Sommermonaten die Arbeitslosigkeit erheblich zu drücken. Die Entlohnung war allerdings bescheiden, zum Teil erfolgte sie in Naturalien. Immer wieder kam es auch zu Konflikten zwischen den Gemeinden und den Aufsehern einerseits und den Arbeitern andererseits.

Ab 1937 begann die Arbeitswanderung in das nationalsozialistische Deutschland verstärkt einzusetzen, zuerst unter den Landarbeitern, bald aber auch unter den Bauarbeitern. nicht wenige dieser Leute kehrten als Propagandisten des Nationalsozialismus zurück.

Unter dem enormen politischen Druck wurden für 1938 große öffentliche Bauvorhaben geplant. Insgesamt 30 öffentliche Baustellen wurden eröffnet. Auch im Bereich der Landarbeit kam es zu einem Fortschritt: erstmals konnte ein tarifvertragsähnliches Abkommen zwischen Großgrundbesitzern und Landarbeitern abgeschlossen werden. Die Arbeitsmarktsituation begann sich zu entspannen. Für eine politische Wende war es aber bereits zu spät.

1938, als das Schuschnigg - Regime immer mehr in Bedrängnis geriet, wuchs auch im Burgenland bei einigen illegalen Sozialisten die Bereitschaft, mit dem Ständestaat für ein unabhängiges Österreich einzutreten. Am 9. März 1938 fand im Sigleßer Hollawaldl eine diesbezügliche Besprechung statt. Ebenfalls am 9. März hatte Ignaz Till ein Gespräch mit Landeshauptmann Sylvester, der offenbar an einen Einsatz des Schutzbundes gegen die Nationalsozialisten dachte. Till teilte dem Landeshauptmann mit, dass der Schutzbund noch über Waffen verfüge und zum Einsatz gegen die Nationalsozialisten bereit sei. Anschließend wurde über die Wiederzulassung der Arbeiterorganisationen gesprochen. Es kam zu einer weiteren Besprechung im Landhaus, an der neben Sylvester auch Landesrat Ing. Strobl  und Landesrat Posch, von Seiten der Sozialdemokraten Till und Stagl teilnahmen. Auch ein Kommunist war anwesend. Die Landesregierung stellte den Sozialisten und Kommunisten Geldmittel zur Verfügung, damit diese ihre Verbindungsleute in den Dörfern aufsuchen und für die von Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung werben konnten. Unter dem ehamaligen sozialdemokratischen Landesrat Ignaz Till versuchten tatsächlich einige Sozialdemokraten für ein Ja Stimmung zu machen, jedoch mit geringem Erfolg.  Für dieses Vorhaben war es aber schon zu spät. Das Misstrauen gegenüber der Vaterländischen Front war zu groß.

Für den 13. März 1938 kündigte Schuschnigg die Volksbefragung "für ein freies und deutsches, unbhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich" an. Die Vaterländische Front leitete trotz der kurzen Frist sofort umfangreiche Propagandamaßnahmen ein. Millionen von Flugzetteln wurden gestreut, Lautsprecherwagen fuhren durch die Städte. Ein Appell, gezeichnet vom Landesbauernführer Johann Bauer und Landeshauptmann Hans Sylvester warb im Burgenland für die Befragung. Eine Abstimmungsordnung wurde erlassen. Heftig kritisiert wurde daran, dass das Wahlalter mit 24 Jahren festgesetzt wurde. Das Wahlalter lag jedoch nach dem Verfassungsgesetz von 1929 bei 21 Jahren. Es sollten also junge Erwachsene, unter denen man anscheinend besonders viele Nationalsozialisten vermutete, von der Abstimmung ferngehalten werden. Als Abstimmungsleiter wurden die Bezirkshauptleute bestimmt, mit zwei Ausnahmen - Jennersdorf und Eisenstadt. Nicht ernannt wurde der Bezirkshauptmann von Eisenstadt Dr. Ernst Mayrhofer, dem man Nähe zum Natuionalsozialismus nachsagte. Vorgesehen waren Stimmzettel, die nur eine Antwort, nämlich "Ja", zuließen. Wer mit "Nein" stimmen wollte musste einen weißen Stimmzettel verlangen, der handschriftlich zu beschriften war. Es gab auch keine Kuverts, sodass eine geheime Abstimmung nicht möglich gewesen wäre.

Schuschnigg musste die Befragung schließlich auf Druck Hitlers absagen.  Bundespräsident Miklas bestellte Seyss - Inquart zum Bundeskanzler. Am 11. März 1938 übernahmen die Nationalsozialisten in Eisenstadt die Macht.

 

 

 

 

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Quellen

  • Bayer, Pia/Szorger Dieter, Schicksalsjahr 1938. Wisenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 161. Eisenstadt 2019
 

 

 
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