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Die Arbeiterbewegung auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes war stark von Einflüssen aus Niederösterreich und Wien geprägt, wo viele Menschen westungarischer Herkunft schon im 19. Jahrhundert in den Fabriken und im Handwerk arbeiteten. Der eine oder andere Wanderarbeiter wurde schon früh von der österreichischen Arbeiterbewegung erfasst und so gelangte deren Gedankengut wohl erstmals auch nach Westungarn. Man findet etwa im berühmten, 1867 gegründeten Wiener Arbeiterbildungsverein auch zwei Personen westungarischer Herkunft unter den Gründungsmitgliedern: den Korbflechter Martin Berka aus Ödrnburg und den Tischlergesellen Friedrich Haecker aus Stegersbach. Bei ersten großen Demonstaration der österreichischen Arbeiterbewegung am 13. Dezember 1869 auf dem Paradeplatz in Wien wurde eine Petition an den damaligen Ministerpräsidenten, den Grafen Taafe verfaßt, die von elf Personen, darunter Berka und Haecker, unterschrieben wurde. Im Hochverratsprozess von 1870 waren beide unter den Angeklagten.

Im Jahre 1874 fand in Neudörl der Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs statt. Dieses Ereignis hatte eine strenge Überwachung aller Regungen der Arbeiterbewegung zur Folge. Das Innenministerium in Budapest erließ eine Weisung an den Obergespan des Komitates Ödenburg, in der ihm aufgetragen wurde, "strengste und wachsamste Beobachtung jeder sozialdemokratischen Tätigkeit und sofortige Vernichtung, wenn nötig mit Brachialgewalt". Der Vizegespan forderte die Stuhlrichter auf, "jegliche sozialdemokratische Regung mit größter Aufmerksamkeit zu beobachten und etwaige Tendenzen unverzüglich telegraphisch oder per Eilpost zu melden".

In den 1880er Jahren gab es in Ungarn keine sozialistischen Organisationen. Die wirtschaftlichen Probleme und der massive Druck der Behörden trug dazu bei. Die Ideen der Sozialisten fanden freilich weiterhin Eingang, vor allem die Wanderarbeiter brachten entsprechende Zeitungen mit. 1888/89 begann mit dem Hainfelder Parteitag der Neuaufstieg der Sozialistischen Arbeiterpartei. Dr. Victor Adler berief im September 1889 einen Parteitag nach Preßburg, der für die ungarischen Sozialsten am Anfang einer Aufstiegsphase stand. In der "Prinzipiellen Erklärung" wurde das österreichische Programm von Hainfeld fast wortwörtlich übernommen. Nun entstanden auch wieder Arbeitervereine.

Der 1. Mai, 1889 in Paris zum internationalen Arbeitertag erklärt, wurde zur Kraftprobe mit den Behörden. Am 1. Mai 1890 wurde in verschiedenen niederösterreichischen Industrieorten die Arbeit niedergelegt. Auch in Neufeld kam es zu einer entsprechenden Aktion. Man verlegte sofort Gendarmerieverstärkung, ein Infanterie - Bataillon und eine Abteilung eines Dragonerregimentes an die Grenze, um ein Übergreifen der Streiks nach Ungarn zu verhindern.

Eine der ersten politischen Aktivitäten der Sozialdemokratie in Westungarn war der Streik am 1. Mai 1890 in Neufeld. In der neugegründeten Jutespinnerei und -weberei waren zahlreiche Menschen beschäftigt, die aus allen Teilen der Monarchie und aus Deutschland stammten und zum Teil bereits in Verbindung mit der organisierten Sozialdemokratie standen.

Der aus Schlesien stammende Schuster Florian Gröger, später sozialdemokratischer Landeshauptmann von Kärnten, berichtet über die Verhältnisse in Neudörfl:

"In Neufeld, einem Bauerndorf, nur durch eine Brücke vom transleithanischen Österreich getrennt, waren mit dem Bau der Jutespinnerei und -weberei Arbeiter aus Böhmen, Mähren, Schlesien und aus Deutschland zusammengeströmt. Viele von ihnen waren schon durch den Sozialismus beeinflusst und in anderen Ländern wohl auch schon in der Partei tätig, aber eine feste Organisation hatte damals in Neufeld noch nicht bestanden. Die Sozialisten unter den Arbeitern trafen sich in kleinen. geheimen Zirkeln. Das Gros der Arbeiterschaft stellten die Frauen. Die Fabriksleitung hatte in den umliegenden Dörfern Bauerntöchter angeworben, die schnell angelernt und schlecht entlohnt wurden. Sie waren arbeitswillig, zuverlässig und gehorsam, sie waren den Fabriksherrn dankbar für die wenigen Gulden, die sie am Schluss einer Arbeitswoche heimtragen und zur Gänze in den Sparstrumpf stecken konnten . . . "

Die Firmenleitung befragte die Arbeiter, wer am 1. Mai feiern wollte. Die Mehrheit bekannte sich zur Arbeitsruhe.

"In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai arbeitete der Apparat der Fabriksleitung fieberhaft. Als die Arbeiter am 1. Mai die Straße betraten, war das ganze Dorf in ein Heerlager verwandelt. Dragoner aus Wiener Neustadt und Infanterie aus Ödenburg waren im Laufe der Nacht herangezogen worden. Die Panduren liefen wie besessen im Dorfe herum und wo mehr als zwei Arbeiter zusammen gesehen wurden, wurden sie sofort auseinandergejagt, bei dem geringsten Widerstand verhaftet und schändliche misshandelt. Schwangere Frauen wurden eingesperrt und mit Füßen getreten, viele Familien wurden ausgewiesen und unter militärischer Eskorte über die Grenze gebracht.

Trotz alledem gelang es, weit außerhalb des Dorfes, auf freiem Feld eine Versammlung abzuhalten, die allerdings der behördlichen Genehmigung entbehrte. In dieser Versammlung wurde über die Bedeutung der Maifeiern in deutscher und tschechischer Sprache gesprochen und dem Sozialismus die Treue gelobt. In dieser Versammlung wurde auch beschlossen, die Arbeit am 2. Mai ruhen zu lassen und den Streik nicht früher zu beenden, bis die Forderungen der Arbeiterschaft erfüllt seien. Diese Forderungen waren recht bescheiden: Herabsetzung der Arbeitszeit von 12 auf 11 Stunden im Tag und eine zehnprozentige Lohnerhöhung. Eine Deputation von sechs Arbeitern überreichte am 2. Mai der Betriebsleitung die Forderungen. Die Deputation wurde verlacht und mit Einsperren bedroht. Trotzdem blieben die Arbeiter fest und nur die Arbeiterinnen gingen zur Arbeit. Nach einigen Tagen Streik gab aber die Fabriksleitung nach und bewilligte die Forderungen der Arbeiterschaft. Da die Fabrik noch nicht lange im Betrieb war und die qualifizierten Arbeiter gebraucht wurden, endete der Streik mit einem Erfolg. Opfer hat er indess genug gekostet..."

zitiert nach: Um Freiheit und Brot. Geschichte der burgenländischen Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945. Eisenstadt 1984

Die Hochkonjunkturjahre vor dem Ersten Weltkrieg brachten der Arbeiterbewegung starken Zulauf. In dieser Zeit verbesserten sich die Lohnsituation und der Lebensstandard der Arbeiterschaft erheblich. Allerdings mussten die höheren Löhne oft erst durch Streiks erkämpft werden. Im Jahre 1907 kam es etwa in Brennberg zu einem großen Streik der Bergarbeiter. Die großen Erfolge der österreichischen Sozialdemokratie bei den Wahlen von 1907 verstärkten auch in Ungarn die Aktivitäten der Sozialisten. Hauptforderung war nach österreichischem Beispiel die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes.

zitiert nach: Um Freiheit und Brot. Geschichte der burgenländischen Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945. Eisenstadt 1984

Es kam zu Demonstrationen und zu Zusammenstößen mit der Polizei, der Preßburger Parteisekretär Wittich wurde verhaftet. Am 10. Oktober 1907, dem "roten Donnerstag", fand ein Massenstreik statt - ohne Erfolg. Auch die Wahlrechtsbewegungen der Jahre 19011 und 1912 konnten das Ziel nicht erreichen.

In Ödenburg schlossen sich die Sozialisten mit der Radikalen Partei des Geza Zsombor zusammen. Sie konnten dadurch bei den Wahlen 14 der 42 Stadtratssitze erreichen. Einen dieser Sitze erhielt Adolf Berczeller, der damit der erste Sozialist in einer öffentlichen Position in ganz Ungarn war.

 

 

 

 

 
 
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