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Ohne jeden Zweifel war auch bei uns nach den zwei bis drei Jahrhunderten des Landesausbaues, des Wachstums und der Bevölkerungszunahme mit den berüchtigten Pestjahren 1348/50 und einem Bevölkerungsverlust von 25 - 30 % ein Ende der Expansion erreicht. Ähnliche Indikatoren wie in Niederösterreich sind feststellbar: sinkende ha- Erträge, Erschöpfung der Felder, mangelnde Viehhaltung und Düngung, Verschlechterung der sozialen und rechtlichen Situation der Bauern durch die große "Krise des Rittertums" mit den beginnenden Kämpfen der Söldnerbanden, Plünderung und Schädigung des flachen Landes...

 So wie in Niederösterreich gibt es auch im Burgenland zahlreiche Wüstungen, im Seewinkel, auf der Parndorfer Platte, im Bereich der Wiener Neustädter Pforte, im östlichen Mittelburgenland... Aber auch bei uns darf bezweifelt werden, ob tatsächlich die Bevölkerung erheblich zurückging, ob nicht die großen Ausfälle durch die Pest schon bald wieder ersetzt wurden. Wo wären dann aber die Menschen aus den aufgegebenen Dörfern hingekommen?

Die Forschung hat schon lange die Vermutungen bestätigt, daß es sich dabei um eine wirtschaftliche Strukturveränderung handelte, die entsprechende Wanderungsbewegungen zur Folge hatte: einerseits von den Getreideanbau- in die Weinbaugebiete, verbunden mit steigenden Wein- und sinkenden Getreidepreisen, mit einer stärker marktbezogenen, also eigentlich gegenüber dem Mittelalter fortschrittlicheren Wirtschaftsweise; andererseits ein starkes Anwachsen der Städte und Märkte auf Kosten der kleinen Dörfer, eine regelrechte Explosion der Städte und der städtischen, auf den Markt und die gewerbliche Produktion bezogenen Wirtschaftsweise. Vor allem für das Nord- und Mittelburgenland, die ja zwischen und am Rande einiger besonders bedeutender und damals auch sehr großer Städte lagen, war diese Entwicklungstendenz vermutlich von besonders großer Bedeutung. Wachsende Städte und Märkte, vermehrte gewerbliche Produktion, steigender Bedarf an Lebensmitteln und Wein und marktorientierte Produktionsweise der Dörfer ergänzten einander, der Bauer wurde wieder freier, seine Arbeitskraft wurde gebraucht, der Weinbau bot die Möglichkeit, Feudallasten in Geld abzulösen. Vor allem im Nordburgenland kann man diese Tendenz erkennen. Schlechter dran waren jene Bauern, die keine "marktgängigen " Produkte wie Wein oder Vieh erzeugten oder von den Märkten zu weit entfernt waren. Vera Zimanyi stellt aber für das 15.und 16.Jh.auch im Südburgenland noch "solide, regenerationsfähige Wirtschaften" fest, die noch Produkte auf den Märkten von Güns, Steinamanger und Fürstenfeld verkaufen konnten und die sich relativ rasch von Kriegsschäden wieder erholten. Der große Niedergang beginnt dort erst nach der Jahrhundertwende.

Es ist zu vermuten, dass all diese Prozesse sich auch positiv auf das Selbstverständnis der Bauern auswirkten. Bruckmüller etwa weist darauf hin, dass in dieser Zeit der Bauer zum "Hausherrn" wird.

 Andererseits ist das ausgehende Mittelalter und die beginnende Neuzeit auch die Zeit der Krise für den Adel, den kleinen Landadel mittelalterlichen Typs, der von den fallenden Renten nicht mehr leben kann. Es ist kein Zufall, dass auch bei uns in dieser Zeit die meisten Adelsfamilien des Mittelalters ihre Bedeutung verlieren, schwer verschuldet sind, "aussterben"... Der Solddienst gerade in den Grenzfehden des 15. Jahrhunderts ist für sie oft die einzige Erwerbsquelle. In diesen Kämpfen kommt aber auch der ganz neue Typus von "Adel" auf, als Söldnerführer, im Hofdienst. Diese Kriegsunternehmer kaufen riesige Herrschaften zusammen. Gerade das Burgenland hat mit Baumkircher, Grafenecker und anderen eine ganze Reihe von Prototypen dieser Aufsteiger aufzuweisen. Das Grenzland war eben auch immer das Land der sozialen Aufstiegschancen. Die Türkengefahr ermöglicht dann die Fortsetzung dieser Tendenz: "kaisertreue" ungarische Adelige - zum Teil ebenfalls erst durch "Tüchtigkeit", also besondere Rücksichtslosigkeit aus der Masse der Kleinadels aufgestiegen - werden die neuen Großgrundherren im Grenzland und lassen sich ihre "Treue" durch immer mehr Macht bezahlen.

Die Städte gewinnen im Spätmittelalter an Bedeutung wie nie zuvor. Die größeren Städte werden in die Stände aufgenommen, Ödenburg etwa ist bei der ungarischen Königswahl stimmberechtigt. Im 16.Jh. wächst eine ganze Generation humanistisch geschulter, weltgewandter und im Recht bewanderter Bürger heran, die kräftig im politischen Geschehen des Landes mitmischt, vor allem natürlich auch in den Religionsfragen, denn die Städte dieser Zeit sind bedingungslos protestantisch.

Von ganz besonderer Bedeutung ist natürlich die Residenzstadt Wiener Neustadt, eine Großstadt, vor deren Toren das heutige Burgenland lag und die natürlich entsprechend in diesen Raum ausstrahlte. Die Geschäftsbücher der Firma Funk geben ein beredtes Zeugnis. Weniger gut konnten sich neben Güns,das erst im 16.Jahrhundert entsprechend entwickelte, die städtischen Siedlungen des Südburgenlandes entwickeln: Schlaining blieb leider unter den Nachfolgern der Baumkircher eine Kümmerstadt, Bernstein, Güssing, Rechnitz gerieten als Herrschaftssitze zu sehr in Abhängigkeit vom Grundherren. Neben der Hofwirtschaft der Batthyany war kein Platz für das Aufkommen eines bürgerlichen Geistes und einer bürgerlichen Wirtschaftsgesinnung. Sie blieben grundherrschaftliche Märkte, hatten als solche allerdings einige Bedeutung für das Gewerbe und den Handel. Dies gilt besonders auch für die reichen Märkte am Neusiedler See wie Purbach, Donnerskirchen, Neusiedl... Den Sprung zur freien Stadt aber schafften nur Rust und Eisenstadt.

Im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung in unserem Raum wird aber auch immer darauf hingewiesen, daß die späteren Probleme, vor allem die Verarmung im 18.Jhdt., eigentlich schon in der frühen Neuzeit wurzeln, da es den westungarischen Städten und ihren Bürgern nicht gelang, sich in den Fernhandel einzuschalten und auch kein eigenes Exportgewerbe entwickeln konnten. Ödenburg und Güns blieben im hohen Grad Weinbau- und Ackerbürgerstädte; dies gilt natürlich in noch höherem Maße von Rust, Eisenstadt und den Märkten des Südburgenlandes. Die westungarischen Städte und Märkte waren aber immerhin in den west-östlichen Warenstrom eingebunden, besonders Ödenburg und Pressburg, aber auch manche Märkte und Zollstellen wie etwa Ungarisch-Altenburg und Kittsee an der großen Viehtriebroute nach Westen. Ein besonders schwerwiegendes Problem ist das der Gesamtbeurteilung der Landwirtschaft und damit der wirtschaftlichen Situation der meisten Menschen im Verlauf des 16.und 17.Jahrhunderts. Es ist bekannt, dass vor allem die marxistische Geschichtsschreibung  zwei Grundtypen der Agrarentwicklung im frühneuzeitlichen Europa zu erkennen glaubte: den freien, in Richtung kapitalistischer Marktwirtschaft gehenden Typus des Westens und die "Gutswirtschaft" des Ostens. - von Preußen und Polen bis nach Ungarn. Heute ist dieses einfache, schematische Denken überwunden. Die Forschung hat gezeigt, dass auch und selbst in Ungarn die "reine" Gutswirtschaft sich nirgends durchsetzte. Die Diskussion hat aber auch den Blick geschärft für jene im Verlauf des 16.und 17.Jahrhunderts zunehmenden Phänomene, die man als "zweite Leibeigenschaft" bezeichnete, etwas überzogen und ideologisch ausgerichtet, aber doch den Kern der Sache treffend. Gemeint ist damit die ständige Verschlechterung der Situation der Bauern im 17.Jh., der Ausbau der grundherrschaftlichen Eigenwirtschaft.

Auf dem Gebiet des Burgenlandes war es vor allem Vera Zimanyi, die sich in ihren Arbeiten über die Herrschaft Güssing, über Schlaining - Rechnitz und über den Raum Mattersburg mit diesen Fragen beschäftigte und überaus reichhaltiges Material vorlegte. Die Ergebnisse zeigen unterschiedliche Entwicklungen im Nord- und im Südburgenland, die vermutlich bis heute in der sozialökonomischen Struktur des Landes durchschlagen.

Im von den Türken nicht besetzten, aber nahe an der Türkenfront liegenden Westungarn war die Situation insofern anders, als dadurch die großräumigen Handelsbeziehungen gestört waren, die Versorgung der Grenztruppen die gesamte Überschussproduktion absorbierte. Zu "Bauernlegen " kam es selten, ganz im Gegenteil, es stand genügend Land zur Verfügung; die Ansätze zur Gutswirtschaft fanden ihre Grenzen eher im Mangel an Arbeitskraft. Diese besonderen Erscheinungsformen werden am Beispiel der Herrschaft Güssing noch gezeigt. Insgesamt ist man sich heute einig, dass die Entwicklung vom Bauerntum zur Gutsherrschaft in Ungarn "irgendwo auf halbem Weg" stecken blieb. Die großen Feudalherren Westungarns versuchten zwar, ebenfalls in Richtung Ausbau der Eigenwirtschaft zu gehen. Die Batthyany, die nahezu das gesamte Südburgenland beherrschten, waren dabei "erfolgreich" und ruinierten das Land.

Am Ende dieses Prozesses steht in der Mitte des 18.Jh.ein regelrechter Bauernaufstand. Ganz anders die Esterhazy im Nordburgenland. Sie erkannten bald die großen Vorteile, die sie aus der relativ wohlhabenden Bauernschaft ziehen konnten und waren mit "moderneren" Formen der Ausbeutung zufrieden. Am Ende des 17.Jh.und im 18.Jh.steht jedoch auch dort der wirtschaftliche Niedergang, wenn er auch nicht die katastrophale Dimension des Südens erreichte. Eines steht jedoch fest: Das mittelalterliche Burgenland war sozialökonomisch auf einem beachtlichen, vielfach dem österreichischen überlegenen Niveau. Das frühneuzeitliche Burgenland hatte noch immer genug Kraft, um Zuwanderer in Scharen anzulocken. Das barocke Burgenland (Ende 17.,18.Jh.) war bereits ein zurückgebliebenes, armes Land, das begann, Menschen abzugeben. Ebenfalls eindeutig ist der große Unterschied zwischen Nord und Süd schon im 17.Jahrhundert.

Wichtig ist, dass die bäuerlichen Gemeinden die Formen der relativ weit gehenden Selbstverwaltung fanden ( Richterwahl, Geschworene, "Vierer"...) ,die für die Folgezeit charakteristisch waren. Die Bauern treten in dieser Zeit nicht nur in Österreich sondern auch in Ungarn "politisch handelnd" auf. Wenn auch die großen Aufstände zu Beginn des 16. Jahrhunderts scheitern, so kann man doch in vielen Quellen der folgenden Jahrzehnte, vor allem im Zusammenhang mit der religiösen Erneuerung durch die Reformation, Zeugnisse dieses bäuerlichen Selbstbewusstseins, Bildungs- und Aufstiegswillens finden.

 

 

 

 

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Quellen

 Thurner, Manuela und Herdits, Hannes: Die frühneuzeitliche Waldglashütte der Herrschaft Bernstein. Burgenländische Heimatblätter 2021, Heft 1 & 2, S.3 -14
 

 

 

 
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