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Die ungarische Geschichtsschreibung stellt die Entwicklung folgendermaßen dar: Die Bewohner der Komitatsburgen wie etwa Ödenburgs oder Preßburgs, die "iobagiones castri", waren "ursprünglich", also nach der Eroberung des Landes durch die Magyaren, königliche Burgbesatzungen magyarischer Herkunft. Diese wurden dann durch die starke Zuwanderung der Deutschen "eingedeutscht" und stellten die Ratsbürger der Städte. Nach ihrem "Aussterben" hätten dann die Städte deren Besitzungen in der Umgebung der Stadt "geerbt" und so wären die umfangreichen Stadtherrschaften entstanden (siehe dazu etwa András Kubinyi in Symposion Mogersdorf 1994, S.163). Die Extremposition aus deutscher Sicht wäre, in den Burgbesatzungen nur vorübergehende, für relativ kurze Zeit in den Stadtburgen stationierte Militärs zu sehen, die zudem , wie erhaltene Urkunden beweisen, keineswegs ausschließlich Magyaren waren. Sie wären mit dem hochmittelalterlichen Aufschwung der Städte, mit der Entwicklung der "Burgen" zu privilegierten Städten, "überflüssig" geworden und hätten sich nicht halten können.

In Wirklichkeit war dieser Prozeß aber wohl sehr komplex und die eine wie die andere Variante stellt eine unzulässige Vereinfachung dar. Es scheint, als ob die eine oder andere Jobagionenfamilie durchaus in der Stadt blieb und im Bürgertum aufging. Natürlich ist die Herkunft der städtischen Familien im Einzelfall kaum zu klären, da es ja noch keine Familiennamen gab und zur Zeit der Entstehung der Familiennamen diese Städte schon sehr stark deutsch geprägt waren.

Neben den Deutschen gibt es auch frühe Anzeichen für eine Niederlassung von Juden, hauptsächlich in einigen Städten. Eine Ausnahme dürfte jener Thehanus sein, 1228 von König Andreas II. einen Besitz in Ruhtukeuri (Röjtökör, Wüstung ödtlich von Wiener Neustadt) erhält. 1232 wird beim Verkauf von Pöttsching der Vater des Juden erwähnt, der Gast den erwähnten Besitz beanspruchte. 1251 erließ König Bela IV. sein Judenprivileg, das eine ziemlich genaue Kopie des 1244 in Österreich von Herzog Friedrich II. erlassene Privilegs war. Im 14. Jahrhundert gab es in Ödenburg eine Judengemeinde. 1324 bestätigt König Karl Robert den Schutz über die Ödenburger Bürger, egal ob Christen oder Juden. 1388 kommt es auch zur Judenansiedlung in Eisenstadt: König Sigismund gestattet dem Graner Erzbischof Johannes Kanizsai, Juden in Eisenstadt aufzunehmen und ihnen die gleichen Rechte wie in den königlichen Freistädten zu gewähren. In Ödenburg wurden die Juden freilich nach der Schlacht von Mohacs 1526 vertrieben. 1537 heißt es in den Statuten der Stadt, dass "nachdem auch die Juden nur mit schwerer Müh' und mit grossen Unkosten sind ausgetrieben worden" diese nichteinmal für eine Nacht beherbergt werden durften. Die Synagoge sollte geschätzt und abgerissen werden.

In den königlich privilegierten Hospites – Siedlungen durfte der Villicus, den man später Markt- oder Stadtrichter nannte, frei gewählt werden. Ihm zur Seite standen 12 Geschworene. In Ödenburg und Eisenstadt gab es neben dem Inneren Rat auch noch einen Äußeren Rat, der ebenfalls 12 Mitglieder zählte. Die Gerichtsbarkeit erreichte unterschiedliche Ausprägung. Die Stadt Ödenburg hatte die Blutgerichtsbarkeit, Pinkafeld hatte nur die niedere Gerichtsbarkeit, die aber allmählich erweitert wurde. Ab dem 14. Jahrhundert war die Entwicklung des Ödenburger Stadtrechtes für ganz Westungarn maßgebend. Es bildete sich ein eigener Ödenburger Stadtrechtsverband heraus, dem gegen Ende des 14. Jahrhunderts Güns, Tschapring, Steinamanger, Raab und Rechnitz angehörten. Aber auch andere, kleinere Städte und Märkte wandten sich in Rechtsfragen immer wieder an Ödenburg, mit der Bitte um Weisungen.

"Städte" waren im mittelalterlichen Ungarn nur die königlichen Städte, also nur jene, die dem König direkt unterstanden. Das waren im westungarischen Raum zunächst nur die alten königlichen Burgen Preßburg und Ödenburg. Ihnen entsprachen im angrenzenden Österreich und in der Steiermark die landesfürstlichen Städte. Die "Städte" und Märkte der Grundherren, die sich im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts entwickelten, bildeten eine eigene rechtliche Gruppe. Der Gründungsakt oder eine "Stadterhebung" sind urkundlich nicht dokumentiert. Die größeren unter ihnen wie etwa Eisenstadt, Güns, Güssing und Schlaining wurden aber auch als "Städte" bezeichnet. Einen "städtischen" Grundriß weisen vom Anfang an Pinkafeld, Güns und Rechnitz auf. Pinkafeld wurde vermutlich vom Anfang an als Handwerkersiedlung deutscher Kolonisten, also als "Stadt", angelegt. Darauf weist die geringe Ausstattung mit Grundbesitz hin. Rechnitz, Güns und Pinkafeld, die "Städte" der Grafen von Güssing, unterschieden sich also schon früh sowohl von ihrer baulichen wie von ihrer sozialökonomischen Struktur her von den Baurndörfern der Herrschaft. Pinkafeld und Rechnitz erreichten eine Position, die man zwischen Markt und Stadt ansiedeln kann. Zur Zeit der Anjou – Könige, also im Spätmittelalter, bekamen auch diese grundherrschaftlichen Städte entsprechende königliche Privilegien übertragen. Pinkafeld erhielt erstmals 1343 ein königliches Privileg (1358 bestätigt, 1373 erweitert), Güssing 1355, Güns schon 1328, unmittelbar nachdem der König die Stadt den Güssingern entrissen hatte. Mattersburg und Eisenstadt verdanken ihren Aufstieg ebenfalls den Grundherrnfamilien, Mattersburg den Mattersdorf – Forchtensteinern, Eisenstadt den Kaniszai. Von König Ludwig I. erhielten beide Siedlungen Privilegien. Die letzte mittelalterliche Stadtgründung auf heute burgenländischem Gebiet war die von Schlaining. 1462 erhielt Andreas Baumkircher von Kaiser Friedrich III. Privilegien für die Stadt, die er "von neuem" errichten lassen wollte. Die ehrgeizigen Pläne, die er mit der Stadt hatte, konnten aber nicht realisiert werden. 1648 wurden Rust und Güns königliche Freistädte, 1681 auch Rust.

Auch die Grenzen zwischen den Dörfern und den Marktsiedlungen waren fließend. Die Bedeutung der Marktsiedlungen beruhte häufig auf der Tatsache, daß sie neben einer Burg entstanden und auch kirchliche Zentren waren. Sie hatten also Zentren einer Grundherrschaft. Mit der Größe der Siedlung nahm auch die Bedeutung des Handwerks zu. Entscheidend war aber meist das Marktrecht bzw. das Handelsprivileg. Die meisten dieser Märkte entstanden parallel zur Herausbildung der Grundherrschaft, mit dem Ende des alten Grenzverteidigungssystems und der Errichtung der Burgen. Mitte des 14. Jahrhunderts sind Eisenstadt, Neusiedl, Mattersburg, Pinkafeld und Rechnitz als Märkte erkennbar. Kleinere Burgmärkte entwickeln sich in Landsee, Rotenturm, Eberau, Neuhaus.

In wirtschaftlicher Hinsicht war in allen westungarischen Märkten und Städten, unabhängig von ihrer Größe, der Weinbau besonders wichtig. Lediglich in Pinkafeld stand vom Anfang an das Handwerk im Vordergrund. Der Handel konnte sich hingegen nie besonders entwickeln.

Der Reichtum und die Kultur der Städte des mittelalterlichen Westungarn beruhte vor allem auf dem ausgedehnten Weinbau, der weit größere Flächen als heute in Anspruch nahm. Im 13. Und 14. Jahrhundert erreichte der Weinbau überhaupt, in der gesamten Geschichte Westungarns, seine größte Ausdehnung. Im 15. Jahrhundert kam es dann zu einer stärkeren Konzentration in den günstigsten Gebieten. Es waren die deutschen "Gäste", also Kolonisten, die den Weinbau entwickelten. Die gesamte wirtschaftliche und soziale Struktur der Bevölkerung wurde durch den Weinbau bestimmt. Die Stellung der Bürger und Bauern in den städtischen und dörflichen Gesellschaften war im wesentlichen vom Weingartenbesitz abhängig. Die besonders angesehenen Bürger besaßen riesige Weingartenflächen bis zu 14 Hektar. Die Bewirtschaftung dieser Weingärten erforderte eine große Zahl von Weingartenarbeitern und Taglöhnern, die als Inwohner (sie besaßen kein eigenes Haus, lebten im Haus eines Bauern oder Bürgers) die Unterschicht bildeten. Die bedeutendsten Weinbaugemeinden des Hochmittelalters waren nach Harald Prickler: Güns (300 ha), Rechnitz (400 ha), Neckenmarkt (250 ha), Lutzmannsburg (120 ha), Deutschkreutz (150 ha), Mattersburg (250 ha), Eisenstadt (130 ha), Rust (160 ha), Neusiedl (150 ha). Auf einem Weingartenbesitz von 2 bis 3 ha wurden 5 bis 8 vollwertige Arbeitskräfte beschäftigt.

Der Weinbau und der Weinhandel spielten eine wichtige Rolle bei der Verleihung von Privilegien und beim Aufstieg der Siedlungen zu Städten und Märkten. Rust, das der Herrschaft Ungarisch – Altenburg unterstand und zunächst ein kleines Fischerdorf war, erhielt im 15. Jahrhundert ein Marktrecht und wurde, da Ungarisch – Altenburg in königlichen Besitz gelangte, im 16. Jahrhundert ein königlicher Markt. Auch die Mörkte Neusiedl und Jois gehörten zur Herrschaft Ungarisch – Altenburg. Die unmittelbare Zugehörigkeit eines Gebietes zum Herrscherhaus erwies sich generell als großer Vorteil- Auch Güns und Eisenstadt waren ja, wenn auch verpfändet, im Besitz der Habsburger als Landesherrn. Sie konnten ihre Position zur Erlangung von Handelsprivilegien für ihren Wein nutzen. So wurden auch die Weine von Rust und Eisenstadt bekannt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde etwa der Wein für die kaiserliche Tafel in den beiden Orten eingekauft. Eisenstadt wurde 1648 anläßlich der Rückgliederung an Ungarn von Kaiser Ferdinand III. zur Freistadt erhoben. Das Problem der Stadt war freilich immer die räumliche Nähe zum Esterhazy – Schloß und zu den Esterhazy – Siedlungen vor den Toren der Stadt. Rust nahm eine besonders interessante Entwicklung. Da der Markt besondere Handelsprivilegien hatte, erwarben wohlhabende Ödenburger Patrizierfamilien Häuser in Rust. Zu diesen Familien gehörten etwa die Natl, die Seepacher, die Türk und die Pellacher. Sie besaßen in Rust große Weingärten. Der Ertrag aus den Weinverkäufen vor allem nach Schlesien floß zum Teil nach Ödenburg, zum Teil wurde er in prächtige Bürgerhäuser in Rust investiert. Den etwa 50 Weinbauern – Patriziern stand in Rust eine sehr große Zahl von besitzlosen Weingartenarbeitern gegenüber.

Das Handwerk spielte zumeist nur eine bescheidene, auf den Eigenbedarf ausgerichtete Rolle. Im Spätmittelalter entwickelte sich, ausgehend von den großen Zentren Ödenburg und Wiener Neustadt das Zunftwesen. Sitz zahlreicher Zünfte waren Güns, Eisenstadt, Pinkafeld, Rechnitz, Neusiedl, Mattersburg, Neckenmarkt, Lutzmannsburg, Lockenhaus, Tschapring, Güssing, Steinamanger und Körmend. Folgende Schwerpunkte sind dabei zu erkennen: die Lederer in Pinkafeld, Weber und Tuchmacher in Pinkafeld und Lutzmannsburg, die Binder in Mattersburg, die Hutmacher in Neckenmarkt und Mattersburg, die Schmiede in Pinkafeld und Neusiedl, die Mauerer und Steinmetze in Eisenstadt und Lockenhaus, Schneider in Rechnitz und Eisenstadt, Schlosser in Eisenstadt, die Siebmacher in Pinkafeld. Stiefelmacher (Zischmenmacher) gab es in vielen Orten, Hafner in Draßmarkt, Steinberg, Stoob, Oberpetersdorf und Jabing.

Nur in den größten Städten und in Güns und Pinkafeld spielte der Handel eine gewisse, wenn auch untergeordnete Rolle. Über die österreichische und steirische Grenze wurden neben Wein auch Rinder und Weizen gehandelt. Der Rinderhandel war zumeist nur ein Zwischenhandel. Man kaufte sie in Innerungarn und trieb sie bei Wiener Neustadt, Ebenfurt und Bruck über die Grenze auf die österreichischen Märkte. In umgekehrter Richtung gelangten vor allem Textilien, Metallwaren, Gewürze und Kramwaren nach Westungarn. Man bezog diese von den großen Handelshäusern in Wiener Neustadt, Wien und Graz. Eine Schicht reicher Kaufleute, ein Handelsbürgertum, entwickelte sich in den Städten Westungarns nicht. Es gab zahlreiche Krämer, die von den österreichischen Handelshäusern beliefert wurden und von diesen auch abhängig waren. Diese Mechanismen zeigen sich besonders deutlich in den erhaltenen Handelsbüchern der Firma Funck in Wiener Neustadt. Durch die Türkenkriege, später durch die Übernahme der Handelsgeschäfte durch die Grundherren und die von ihnen angesiedelten Schutzjuden wurden diese Krämer ruiniert. Lediglich in den großen Städten konnten sich einige Kaufleute behaupten. In den Märkten und Dörfern übernahmen die Schutzjuden ihre Funktion.

Große Bedeutung für den Absatz der handwerklichen Produkte hatten die Jahr- und Wochenmärkte. Die in Westungarn wichtigsten Märkte waren ohne Zweifel die von Ödenburg. Im Verlauf des Spätmittelalters gewinnen die Märkte von Güns und Tschapring starl an Bedeutung. Ungarisch – Altenburg war für den Ochsenhandel besonders wichtig.

Der Handel zwischen Ungarn und Österreich wurde durch die königlichen Dreißigstämter kontrolliert. Der Dreißigste war im Spätmittelalter eine Art Außenhandelszoll. Dreißigstämter bestanden in Ungarisch – Altenburg, Zurndorf, Deutsch – Jahrndorf, Karlburg, Neusiedl, Ödenburg, Rust, St. Martin, Güns, Stadtschlaining, Lockenhaus, Oberwart, Olbendorf, Rudersdorf, Jennersdorf und Welten, später auch in Kittsee, Körmend und an anderen Orten. Der Dreißigste war aber nicht die einzige Abgabe, die die Händler zu zahlen hatten. Es gab zahlreiche Mautstellen. Mauten wurden etwa in Wieselburg, Ödenburg, Müllendorf, Neusiedl, Kittsee, Güns und Pinkafeld eingehoben.


 

 

 

 

 

 

 
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